Alice Baker: Mein Leben in der Aryan Brotherhood
gewechselt.
Die ersten Gummigeschosse wirbelten Staub und Dreck auf, doch als diese nichts brachten, kamen die echten Bleikugeln auf den Hof geschossen. Ich hörte diese Geräusche in unserem Zellenblock nur sehr leise, doch ich merkte gleich, dass etwas nicht stimmte. Die Bullen riefen aufgeregt „Sofortiger Einschluss! Gehen sie sofort zurück in ihre Zellen! Bleiben sie nicht stehen!“
Der offene Mini-Hof neben der unserem Block hatte einen freien Blick auf den Himmel, und so konnte ich das Tränengas riechen, das vom Haupthof zu unser rüber zog. Doch dann eskortierte man uns auch schon wieder zurück in unsere Zellen.
Auf dem Hof ballerten die Bullen immer weiter mit ihren Mini-14 Gewehren, doch die Chicanos schlugen nur noch energischer zu. Anscheinend hatten sie vorher angeordnet, die Schüsse der Cops zu ignorieren. Sie waren sehr gut organisiert. Während eine Gruppe zuschlug, zogsich eine andere Gruppe zurück, um die Kräfte zu bündeln. Unterdessen gelang es dem harten Kern der Low Riders sogar, die Chicanos zurückzudrängen, aber nur für etwa eine Minute.
Ein paar Brüder, die vom Mini-Hof zurückkamen, erzählten mir, dass sie die Kommandos der Bullen gehört hatten. Aber niemand wusste, was dort wirklich los war.
Auf dem Basketballfeld stand ein Dutzend Weißer mit dem Rücken zur Wand, als sie von mehr als doppelt so vielen Bohnenfressern angegriffen wurden. Die meisten von ihnen hatten irgendeine Waffe in der Hand. Zahnbürsten mit Rasierklingen, die man Tomahawk nennt. Einer der Low Riders wurde übel verletzt und ging zu Boden. Als er da lag, fielen die Mexikaner über ihn her wie Heuschrecken. Der Krawall ging schon seit etwa fünf Minuten.
Und dann gab es den ersten toten Chicano. Eine Kugel hatte seinen rasierten Kopf durchlöchert und er lag blutend und leblos auf dem Hof. Erst dieser Tote brachte die Ausschreitungen zu ihrem Ende. Die Bullen versuchten ihn mit erster Hilfe zu retten aber ganz ehrlich? Ein Loch im Kopf ist ein Loch im Kopf.
Unglaublicherweise waren die braunen Jungs immer noch nicht zufrieden. Fünf Minuten nach dem tödlichen Schuss griffen die Mexikaner noch mal an. Allerdings ohne viel Erfolg. Hunderte Bullen hatten den Hof gestürmt und alle Insassen mit Kabelbindern auf dem Boden fixiert. Verwundete wurden mit Tragen auf die Krankenstation gebracht. Das alles muss wie ein verdammtes Schlachtfeld ausgesehen haben.
Nach diesen kurzen fünfzehn Minuten waren ein Gefangener tot und vierzig verletzt. Die meisten hatten Schnitt- und Stichwunden davongetragen, fünfzehn von ihnen hatten Schussverletzungen.
In unserem Zellenblock begannen die Schließer jetzt,die Türen mit zusätzlichen Schlössern zu verriegeln. Ich rief „Was soll die Scheiße?“ aber erhielt keine Antwort.
Das Chaos unter den weißen Jungs war groß in den Tagen nach den Ausschreitungen. Der gesamte Knast war abgesperrt, so dass niemand die Zellen verlassen konnte. Die Chicanos hatten uns unmissverständlich klar machen wollen, dass wir aus dem Heroinhandel raus waren. Wir hatten ihre Botschaft verstanden. Der Riss zwischen den weißen und braunen Jungs war größer als jemals zu vor. Ein paar meiner Brüder zogen es sogar ernsthaft in Erwägung, sich mit den Niggern von der Black Guerilla Family zu verbünden, um sich gemeinsam den Mexikanern gegenüber zu stellen. Jef Barnett war einer von ihnen. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass es schon mehr bedurfte, um die Aryan Brotherhood mit einem Haufen militanter schwarzer Rassisten zu vereinen. Ich hoffe, das ist auf den bisherigen Seiten klar geworden.
Die Politik der Gefängnisleitung ist in solchen Fällen eigentlich immer, die zwei Parteien von einander zu trennen, mindestens für neunzig Tage, maximal für ein Jahr, bis sich die Wogen geglättet hätten. Aber diesmal war es anders. Die Leitung fürchtete einen langen, harten Krieg zwischen den Chicanos und den Nazi Low Riders. Also bot sie uns Verhandlungen mit Repräsentanten der jeweiligen Gruppe an. Während die Cholos sich weigerten an irgendeinem Gespräch teilzunehmen, sollte ich einer der Gesprächspartner bei dem Treffen mit der Gefängnisleitung sein. Unsere Strategie war, das Problem runterzuspielen. Wir waren völlig cool und bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Jetzt waren wir in der besseren Position, denn die Mexikaner hatten sich jegliche Hofaktivitäten durch ihre Dickköpfigkeit verspielt.
Am 9. März 1999 war es so weit. Die Chicanos wurden nur in kleinen
Weitere Kostenlose Bücher