Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt
Einrichtung handelt. Obwohl hier nicht so leicht vergessen wird, woher einer kommt. Das Tor macht auch nicht den Eindruck, als würde dort häufig etwas abgegeben.
Auch Oberschwester Hina Alvi sitzt in der Einstellungskommission. Sie hat Paan in der rechten Backe und fängt ab und zu den roten Saft mit der Zunge auf, bevor er ihr übers Kinn rinnt. Dieser vorsorgliche, rechtzeitige Zungenschlag wird ihr Hauptbeitrag zum Verfahren bleiben. Alice Bhatti braucht kein Krankenschwesterndiplom, um zu wissen, dass Hina Alvi sie nicht mag. Ihr einziger Trost ist, dass es ohnehin kaum etwas gibt, das Schwester Hina mag. In der vergeblichen Hoffnung, sie für sich zu gewinnen, lächelt Alice Bhatti ihr zu. Nichts. Schwester Hina Alvis furchteinflößende Haltung, die kaum wahrnehmbaren Bewegungen ihres Kiefers, ihre karmesinroten Lippen und ihr scharfer Blick vermitteln Alice den Eindruck, dass die Oberschwester ihr nicht völlig gleichgültig gegenübersteht: Sie hat sich noch nicht entschieden, ob dieses Frauenzimmer namens Alice Bhatti für sie überhaupt existiert.
Alice Bhattis einzige Hoffnung ist Dr. Jamus Pereira, der Chef des Krankenhauses. Chef ist er nur aus einem Grund: Er hat das Herz Jesu von seinem Vater geerbt, weil er nicht Nein sagen konnte. Wer kann seinem sterbenden Vater auch etwas abschlagen, wenn er einem die Familienbibel in die Hand drückt?
Das Kinn auf die Faust gestützt, sitzt Dr. Pereira da und scheint sich zu fragen, wann Ortho Sir kraft seiner Prinzipientreue Trümmerbrüche heilen wird.
Bei seinem Anblick wird Alice etwas klar: Wer keine größere Hoffnung hat als Dr. Jamus Pereira, kann ebenso gut alle Hoffnung fahren lassen.
„Und was wollen Sie?“ Ortho Sir mustert sie wie ein Kind, das sich in ein Gespräch unter Erwachsenen einmischen will.
„Wir haben eine unbesetzte Stelle in der Notaufnahme“, erklärt Dr. Pereira, bevor Alice sich umdrehen und davonlaufen kann. „Bitte, nehmen Sie Platz, Alice.“
Normalerweise geht Dr. Pereira ihr mit seiner Höflichkeit auf die Nerven – Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir, würde ich mir erlauben, Sie in Kenntnis zu setzen, dass der Herr, den Sie in unser Krankenhaus zu bringen geruht haben, bei seiner Aufnahme verschieden ist –, sie hält seine Bemühungen, durch gute Manieren Ordnung in diese Welt zu bringen, für ziemlich absurd. Im Moment jedoch weiß sie jedes Wort zu schätzen. Sie freut sich, dass er sie mit ihrem Vornamen angesprochen hat. Es vermittelt Anerkennung und Kollegialität, ja, sogar Intimität – eine unschuldige Art von Intimität. Auch wie er „Nehmen Sie Platz“ gesagt hat, gefällt ihr.
Natürlich hat jemand, der schon dankbar ist, wenn man ihm einen Platz anbietet, nicht gerade die besten Karten. Auch das ist ihr bewusst.
„Wie viele Bewerber haben wir?“ Ortho Sir wirft einen ungeduldigen Blick auf seine Uhr. Es sind Untergebene anwesend, also schickt er wie üblich sein Selbstbild des bescheidenen Facharztes auf Kurzurlaub. Unter vier Augen mit Vorgesetzten verhält er sich völlig anders. Ihnen gibt er das Gefühl, kleine Götter zu sein. Aber wenn er wütend ist, wird er grob, und das Netz der Adern auf seiner Glatze schwillt an und verfärbt sich ins Grünliche. Er sieht dann aus wie ein Außerirdischer, der gerade erfahren hat, nicht so bald nach Hause zurückzukönnen, weil der Brennstoff, den sein Raumschiff braucht, auf der Erde ausgegangen ist.
„Only the lonely“, summt Dr. Pereira und blickt seine beiden Kollegen zuversichtlich an. Schwester Alvi kräuselt die Lippen zu einem Lächeln, um anzudeuten, dass sie den Witz versteht, aber zu weit über solchen Dingen steht, um sich damit abzugeben.
„Wozu dann die Mühe?“ Ortho Sir schiebt seinen Ordner von sich und schaut Alice Bhatti an.
Alice Bhatti beobachtet einen Gecko an der Wand und versucht verzweifelt, ihn durch Willenskraft zu einer – wer weiß, vielleicht Glück verheißenden – Bewegung zu zwingen.
„Verfahrensgründe“, meint Dr. Pereira. „Sollten meine geschätzten Kollegen Vorbehalte gegen Alice Bhatti haben, können wir die Stelle weiter ausschreiben. Aber wie Ihnen allen bekannt ist, herrscht Mangel an qualifizierten Kandidaten mit Berufserfahrung. Die Privaten schnappen sie uns weg. Oder sie gehen nach Dubai oder Toronto.“
Es gab Zeiten, in denen Dr. Pereira größere Autorität besaß und für sich in Anspruch nehmen konnte, dass das Krankenhaus „von meinem Vater gebaut“ und nach dem Herzen unseres Herrn
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