Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt
Nichttrinker ist und Prinzipien hat? Malicks Schicht endet in einer halben Stunde. Dann haben wir es mit Hina Alvi zu tun, und die hat mehr Prinzipien als ich Schamhaare, vertrau mir. Einen Schwanz hat sie wahrscheinlich auch. Die Frau macht mir Angst.“
Teddy Butt ist nicht sicher, ob er lachen soll, also gibt er ein Glucksen von sich, das auch ein Räuspern sein könnte. Er ist neu bei der Truppe, „Ehrenmitglied“ sozusagen, und muss die Regeln erst lernen. Er ballt die freie Hand zur Faust und beginnt, imaginäre Gewichte zu heben. Er tut das in Momenten extremer Verunsicherung. Das letzte Mal hat er es getan, als er bei Kommissar Malangi wegen eines Postens als Informant vorgesprochen hat. Er hatte eine Schachtel Süßigkeiten dabei, geriet aber leider mit einem halben Dutzend ausgehungerter Süchtiger auf Entzug in Untersuchungshaft.
Das Gentlemen-Korps ist eine Gruppe gleichgesinnter Polizisten und keine von einer gesetzgebenden Behörde bevollmächtigte Einheit. Der Name taucht in keiner offiziellen Kartei auf, weder auf Briefköpfen noch auf Webseiten. Es gibt keine alljährliche Revision und keine Tapferkeitsmedaillen. Es gibt keine Pressekonferenzen, um die Kriminellen, die ergriffen oder getötet – meist erst ergriffen und danngetötet – werden, zu präsentieren. Es handelt sich um eine Gruppe von Herren, die ohne jegliche wörtlich zu nehmende Absicht beschlossen haben, sich als Gentlemen-Korps zu bezeichnen. Sie sind eine Truppe geläuterter Vergewaltiger („Ich habe jetzt immerhin drei Töchter, wissen Sie“), Folterer („Das ist eine Wissenschaft, keine Kunst“), Scharfschützen („Eigentlich sind wir Affen, da wir unser halbes Leben auf Dächern und Bäumen verbringen“) und ganz allgemein die Art von Ermittlern, die einen Verbrecher bereits daran erkennen, wie er sich die Nase putzt oder um eine Straßenecke biegt. Sie haben so lange gemeinsam überlebt, weil sie sich die Freiheit nehmen – wie heute –, für eine gute Sache zusammenkommen, um danach wieder auseinanderzugehen und jeder für sich sein Leben fortzuführen.
„Weißt du, ich nehme nicht gern Arbeit mit nach Hause. Die Kinder schreiben Tests“, sagt Kommissar Malangi. „Jetzt muss ich mich in meinem Alter noch hinsetzen und Mathematik pauken. Hilf mir doch ein bisschen und gib dem Rechtsmediziner was an die Hand, damit wir diesen Helden ein paar Tage für uns haben. In der Zeit kriege ich ihn dazu, Garden East und alles, was er sonst noch geplant hat, zu gestehen.“ Kommissar Malangi zieht eine alte Kalaschnikow mit einem soliden Holzkolben hervor, leert das Magazin, überlegt kurz, steckt es dann in die Tasche und wirft das Gewehr Teddy zu. „Irgendeine Kleinigkeit. Ein Daumen reicht schon. Wir werfen dem Hund einen Knochen hin und gehen nach Hause.“
Teddy weiß, dass es sich hier weder um einen Vorschlag noch um einen Befehl handelt. Es wird von ihm erwartet, so wie ein Vater es erwartet, von seinen Söhnen mit Vater, Abba oder Papa angesprochen zu werden.
„Dann gehe ich mal und komme gleich wieder.“ Teddy schnippt mit den Fingern, ehe er losrennt, ohne daran zu denken, dass er dieses beflissene Betrachten-Sie-die-Sache-als-erledigt-Schnippen vielleicht längere Zeit nicht mehr zustande bringen wird.
Teddy läuft an auf den Stufen schlafenden Patienten vorbei und raunzt einen Putzmann wegen der Staubwolken an, die dieser im Korridor aufwirbelt. Wie erwartet, sitzt Noor am Bett seiner Mutter Zainab, wo er ihr sanft und hingebungsvoll die Füße massiert, als wäre eine gute Fußmassage das einzige Mittel gegen die drei Krebsarten, an denen Zainab leidet. Teddy bezieht seine Vitamintabletten von Noor. Vor Wettkämpfen spendiert Noor ihm manchmal eine Infusion, die seinem Körper den eigentümlichen Glanz verleiht, den die Jurys so zu mögen scheinen. Noor hat die Kunst, Freunde zu gewinnen, im Gefängnis gelernt, und Teddy glaubt, er würde für einen Freund alles tun.
Noor sieht, wie Teddy mit dem Gewehr in der Hand auf ihn zukommt, packt die Füße seiner Mutter unter die Decke und fängt ihn an der Tür ab. Teddy weiß, dass Noor gewisse Transaktionen nicht gern vor seiner Mutter abwickelt, weshalb er jetzt in einen dringlichen Flüsterton verfällt. „Ich brauche einen kaputten Daumen, und zwar sofort.“ Teddy drückt Noor das Gewehr in die Hand, wie die Quittung
für eine defekte Ware, für die er sein Geld zurückverlangt. Die beiden gehen durch den Flur zum Hinterausgang der Notaufnahme. Dabei
Weitere Kostenlose Bücher