Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
spüren – von ihm berührt zu werden – war ein wunderbares Gefühl.
»Alice hat mir gezeigt, dass all meine Überlegungen richtig waren«, fuhr John fort. »Ich muss mich endlich befreien aus diesem – ich weiß nicht – selbst gebauten Gefängnis. Ich muss mich wieder ins Leben stürzen, kopfüber. Es zulassen, glücklich zu sein.«
Er drehte sich um und schaute Alice an, und in seinen Augen lag etwas, das sie dort vorher noch nie gesehen hatte.
»Also willst du die Escort-Geschichte an den Nagel hängen«, erklärte Geraldine leise. Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Ja. Ich möchte, dass das heute mein letzter Abend wird. Ich hatte gehofft, du würdest nicht darauf bestehen, dass ich die Kündigungsfrist einhalte.« Er lächelte sie schief an.
Geraldine strahlte zurück.
»Sei nicht albern, du alter Softie! Als deine Agentin schmerzt es mich natürlich, dich zu verlieren, aber als Freundin freue ich mich wie verrückt für dich!«
»Echt?«
»Aber klar doch!«, erwiderte sie lachend. »Elf Jahre Selbstkasteiung sind mehr als genug! Eve hätte nicht gewollt, dass du den Rest deines Lebens allein bleibst. Es wird allmählich Zeit, dass du dich wieder verliebst. Langsam fing ich schon an, mir Sorgen zu machen, Emily und ich würden am Ende die Einzigen sein, die dich im Altersheim besuchen!«
Worauf John ihr um den Hals fiel und Geraldine stürmisch an sich drückte. Dann setzte er sich wieder aufs Sofa und schaute Alice an.
»Dann wäre das auch geklärt!«, sagte er fröhlich. »Alice, könntest du dir eventuell vorstellen, mit einem ehemaligen Miet-Mann zusammmen zu sein? Einer, der bei seinem Leben schwört, dass er nie mit irgendeiner seiner Klientinnen im Bett war?«
»Das wäre ja noch schöner!«, schnaubte Geraldine empört. »Ich betreibe doch hier kein Freudenhaus!«
»Dann ist er also wirklich kein …?«, setzte Alice an Geraldine gewandt an. Es war das Erste, was sie seit ihrer Ankunft sagte.
»Himmel, nein!«, rief Geraldine. »Sehe ich etwa aus wie eine Puffmutter?«
»Nein!«, beeilte Alice sich zu versichern. Plötzlich kam sie sich sehr dumm vor. Warum nur hatte sie gleich das Schlimmste angenommen? Sollte sie nicht eigentlich auf Happy Ends gepolt sein? »Aber eins verstehe ich nicht«, sagte sie dann doch verwirrt. »Wie meinten Sie das, elf Jahre Selbstkasteiung?« Sie drehte sich zu John um. »Und was heißt das mit dem selbst gebauten Gefängnis?«
»Hat er Ihnen das nicht erzählt?«, fragte Geraldine.
Verständnislos schaute Alice John an, aber der guckte nur tief in sein Weinglas.
»Johns Frau ist vor fünfzehn Jahren gestorben«, erklärte Geraldine.
Alice schaute ihn an. Er saß da wie versteinert.
»Er hat sich selbst die Schuld dafür gegeben. Er sollte sie an dem Abend abholen und hat sich verspätet, deshalb war sie schon mal losgegangen. Auf dem Weg wurde sie von einem Auto überfahren.«
»Oh! Wie schrecklich!« Alice griff nach Johns Hand.
»Ich hatte … ich hatte zu der Zeit eine Affäre«, gestand John betreten mit schuldbewusstem Gesicht. »Ich hatte mich verspätet, weil ich bei einer anderen Frau war.«
»Oh!« Alice’ Hand in seiner wurde stocksteif.
»Es ist das Einzige, was ich je in meinem Leben getan habe, wofür ich mich wirklich schäme«, sagte John leise. Er brachte es nicht über sich, Alice anzuschauen. »Seit jenem Tag habe ich es mein ganzes Leben lang bereut. Ich habe dir das bisher nicht erzählt, weil ich nicht wollte, dass du schlecht von mir denkst. Ich weiß, was ich gemacht habe, ist unverzeihlich, und ich würde es nie, nie wieder tun.«
Einen Moment schaute John niedergeschlagen ins Leere. Alice wusste nicht, was sie sagen oder denken sollte.
»Eve und ich waren noch sehr jung, als wir geheiratet haben«, fuhr John schließlich fort. »Es war nicht geplant, aber sie wurde schwanger, und wir beide wollten die richtige Entscheidung treffen. Ich habe sie geliebt, doch aus heutiger Sicht muss ich sagen, ich war bei Weitem nicht reif genug. Und dann kam Emily, und … Versteh mich nicht falsch: Ich liebe meine Tochter, aber ein Kind ist eine schwere Belastungsprobe für jede Beziehung. Es ist nicht leicht, vor allem, wenn man selbst fast noch ein Kind ist. Das Problem war: Obwohl Jahre vergingen, fühlte ich mich immer noch wie achtzehn. Ich war kein besonders guter Ehemann.«
Alice klappte den Mund auf, aber ihr fehlten die Worte.
»Nach Eves Tod habe ich mich vor der Welt versteckt«, fuhr er fort. »Tagsüber
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