Alicia II
Drähte und rotes Tuch bloß.
Ben drehte sich um und sah mich an. Ein schmerzhaftes Kribbeln überlief meinen ganzen Körper.
»Warum werden wir in der Erneuerungskammer nicht sorgfältiger untersucht?«
»Das ist bereits angeregt worden. Von mir und einigen wenigen anderen. Aber die meisten meiner lieben Kollegen wollen nichts davon hören. Schon vor Beginn der Sabotageakte hat die Ärztevereinigung entsprechende Maßnahmen vereitelt. Vor Jahren war einmal geplant, den Kammern Kliniken anzuschließen. Die Ärztevereinigung verhinderte das mit dem Argument, es sei besser, wenn der Erneuerte freiwillig zu einem Arzt oder einer Klinik seiner eigenen Wahl gehe. Auf diese Weise erhalte er individuelle Betreuung – und die Ärzte erhalten mehr Geld. Jetzt behaupten sie außerdem, die Anpassung nach der Erneuerung sei so schon schwer genug, und wenn eine Untersuchung einen größeren Fehler des Körpers enthülle, könne der Schock für den frisch Erneuerten zuviel sein. Vielleicht ein guter Einwand, wenn auch ein bißchen zu rationalistisch. Denke daran, was du in den letzten Tagen hast durchmachen müssen – welchen psychischen Schock könntest du verkraften?«
»Keinen großen.«
»Richtig. Und dann ist da noch ein weiteres Problem, ein ziemlich blödsinniges. Die für die Kammern verantwortlichen Bürokraten wollen einfach nicht zugeben, daß an Körpern herumgepfuscht wird. Sie bestehen darauf, das Gerede über fehlerhafte Hüllen, wie sie sich ausdrücken, sei übertrieben und da es von offenkundig die eigenen Interessen wahrnehmenden Ärzten stamme, wie sie sich ausdrücken, sei es wahrscheinlich sogar unwahr. Lassen wir ihre Logik beiseite, die Hauptsache ist, daß das Gerücht über fehlerhafte Hüllen ihrem kostbaren Image in der Öffentlichkeit schadet. Außerdem fürchten sie, ihre Kunden könnten mehr von ihnen verlangen, als sie im Augenblick fähig sind zu geben. Ich kann sie beinahe verstehen. Schließlich gibt es bisher nicht viele beweiskräftige Informationen über Sabotageakte. Und ganz gewiß keine soliden Nachforschungen. Zur Zeit fällt es ihnen noch leicht, die Sache mit einem „Puh!“ abzutun. Aber sie werden sich damit beschäftigen müssen …«
»Warum werden denn die Körper überhaupt beschädigt? Wie ist es zu all dem gekommen?«
»Das weiß niemand sicher, aber man kann es leicht erraten. Stell dir vor, was du empfinden würdest, wenn du wüßtest, dein Körper werde einem neuen Besitzer gegeben und dir das Lebenslicht im Alter von sechs- oder siebenundzwanzig für immer ausgeblasen.«
»Natürlich habe ich oft darüber nachgedacht. Das tut jeder. Aber …«
»Aber nichts. Ich will jetzt keine Diskussion über das Für und Wider der Erneuerung anfangen. Das haben wir alle durchgemacht, im College oder sonstwo. Zum Teufel, es hat eine Zeit gegeben, als ich fest davon überzeugt war, die besten Eigenschaften der Menschheit seien es wert, erhalten zu werden, und die Erneuerung sei eine wunderbare Methode, es zu tun. Es war meine ehrliche Meinung, die Erneuerungsgesetze seien logisch und der Trend, eine elitäre Gruppe zu schaffen, in einer überbevölkerten Welt selbstverständlich. So wenige nur brauchten für so viele geopfert zu werden, erinnerst du dich an das hübsche Schlagwort? Ich habe all diesen Unsinn geglaubt. Vermutlich glaube ich ihn in einem egoistischen Eckchen meines Unterbewußtseins immer noch.«
Wir brachten es nicht fertig, uns anzusehen. Das geschah immer, wenn Leute die ideologische Basis der Erneuerung diskutierten. Einmal, als wir im Aufenthaltsraum der Enklave darüber sprachen, brachte Selena uns alle zum
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