Alicia II
mir schwebte der Nebelklumpen, sich meiner Anwesenheit offensichtlich nicht bewußt. Ich lief links daran vorbei und paßte auf, ob er sich bewegte, vielleicht in Abstimmung mit dem Ding in mir, mich von außen fassen wollte. Aber er kümmerte sich nicht um mich, und ich kam ungefährdet an ihm vorbei. Das Glühwürmchenlicht war von meiner Lunge in meine Schulter hochgewandert und schien jetzt meinen Hals anzupeilen. Ich geriet fast in Panik, denn ich hatte Angst, es werde sich in meine Atmung einmischen und mich ersticken lassen. Als der Schmerz von meiner Kehle Besitz ergriff und sie auszubeuten schien, sah ich, daß der Nebel dünner wurde. Ich näherte mich seinem Rand. Mein Besucher mochte jetzt längere Strahlen aussenden. Sie reichten nach oben und unten fast durch meinen ganzen Körper. Mir war, als müsse ich platzen. Ich wollte um mich schlagen, gegen Bäume laufen. Obwohl ich fähig war, das Gefühl objektiv zu analysieren, wußte ich, daß ich es nicht beherrschen konnte. So müssen sich Wahnsinnige fühlen, dachte ich, wenn sie einen Tobsuchtsanfall bekommen.
Als ich auf die Lichtung gerannt kam, hatte Stacy den Eindruck, ich sei dem gleichen Angriff zum Opfer gefallen wie meine Vorgänger. Er stand auf und befreite sich schnell von den Geräten, die er noch am Körper trug. Ich lief auf ihn zu und versuchte, um Hilfe zu rufen. Das Licht hatte meine Kehle verlassen und inspizierte jetzt den unteren Rand meines Gehirns. Mein Gesicht brannte. Stacy erkannte, daß ich Schmerzen litt, und eilte mir entgegen.
Dann glitt der Eindringling in den Mittelpunkt meines Kopfes, und der Schmerz wurde zu mehr als einer bloßen Nervenreizung und einem Druck. Ich hatte das Gefühl, er werde sich durch meinen Kopf bohren und meinen Schädel als Staub und Asche zurücklassen. Diese Vorstellung und dazu der stärker werdende Schmerz ließen mich aufschreien. Die furchtbare Heftigkeit dieses Schreis brachte Stacy zum Halten.
Er umkreiste mich, um sich zu vergewissern, ob es ungefährlich sei, mir nahezukommen. Das war es nicht, denn ich sprang ihn an und hätte ihn vielleicht umgebracht, ihn erwürgt – wenn er nicht bereits mißtrauisch gewesen wäre. Er wich zur Seite aus. Ich war schrecklich wütend auf ihn und wußte nicht, warum. Ich wollte ihn zusammenschlagen, ich wollte, daß er in seinem Inneren das gleiche spürte wie ich.
Vielleicht war es das, was alle Menschen, die zu sterben glauben, sich wünschen – die Zurückbleibenden sollen ihren Schmerz teilen oder am besten gleich mit ihnen sterben. Ich war überzeugt, mein Kopf zerbreche in kleine Stücke, mein Körper löse sich in Flüssigkeit auf. Es gab keinen Ausweg. Ich hatte keine Chance mehr. Plötzlich wollte ich nicht sterben. Ich hatte geglaubt, dem Tod gelassen ins Gesicht schauen zu können und meine Tollkühnheit sei nichts als der Versuch, auf heroische Art aus dem Leben zu scheiden. Aber, nein, ich wollte nicht sterben! So war es ja gar nicht. Andere sollten sterben. Ich wollte rings um mich Tod sehen. Jeder außer mir konnte ruhig sterben, das wäre ganz in Ordnung. Stacy konnte sterben. Es würde mir gar nichts ausmachen, wenn Stacy starb, vor meinen Augen, von meinen Händen. Das konnte ich leichter akzeptieren als meinen eigenen Tod. Mir stand es zu, ewig zu leben oder doch beinahe ewig. Ich war einer der Auserwählten. Stacy nicht. Er konnte sterben. Schließlich war ihm das vorherbestimmt. Er war nicht auserwählt. Aber ich mußte am Leben bleiben, dachte ich. Ich durfte nicht zulassen, daß dies Ding mich tötete. Ich griff Stacy von neuem an, und diesmal erwischte ich ihn mit voller Wucht an der Kopfseite.
Er taumelte zurück. Mein Schlag war härter ausgefallen, als es meine Körperkräfte gestatteten, als ob das Wesen in
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