Alicia
die Kehle gesetzt hatte. Für ihn ging es darum, ihrer beider Leben gegen diesen Meuchelmörder zu verteidigen. Er packte einen klobigen Ast, der neben ihm auf dem Boden lag, und als Tam sich verdutzt Alicia zuwandte, schmetterte Stephen das Holz in Tams Kniekehlen.
Tam fiel mit einem tiefen Grunzlaut nach vorn. Stephen, der sich auf die Knie stützte, schlug ihm die Faust ins Gesicht, daß das Nasenbein knirschte.
Tam wußte, daß Stephen für Rab kein Unbekannter war, weil er sonst Laut gegeben hätte. Doch als er spürte, wie sein Gegner ihm fast das Nasenbein zerschmetterte, nahm er keine Rücksicht mehr, wer sein Angreifer sein könnte. Er öffnete seine mächtigen Pranken und fuhr damit an Stephens Hals. Stephen wußte, daß er gegen die Bärenkraft dieses Mannes nichts auszurichten vermochte, konnte diesen Vorteil jedoch mit seiner Jugend und Behendigkeit mehr als ausgleichen. Er wich den Pranken aus, duckte sich und rammte beide Fäuste in den eisenharten Magen seines Gegners. Tam schien die Schläge von Stephen gar nicht zu spüren. Er packte Stephen bei den Schultern, hob ihn hoch und schmetterte ihn gegen einen Baum — einmal, zweimal. Stephen war betäubt von diesen schrecklichen Rammstößen, hob aber abwehrend beide Beine und drückte sie mit aller Macht gegen Tams Brust. Es steckte noch so viel Kraft in ihm, daß Tam mit seinen Hammerschlägen aufhören mußte.
Zugleich schlug Stephen von unten her mit beiden Armen gegen Tams Handgelenke. Diese unerwartete Aktion zwang Tam, Stephen loszulassen. Sofort warf er sich mit gespreizten Fingern wieder nach vorn, um Stephen am Hals zu würgen.
Stephen blieben nur Sekunden zur Gegenwehr. Er warf die Beine in die Luft und drehte einen Salto rückwärts.
Tam stand einen Moment in der Hocke da. Eben hatte er noch den Hals seines Gegners vor Augen, und im nächsten Moment war da nichts mehr. Ehe er mit den Lidern zucken konnte, saß ihm ein scharfes Messer an der Kehle.
»Keine Bewegung! « warnte Stephen ihn keuchend, »oder ich schneide dir den Hals durch! «
»Hört auf! « schrie Alicia, »Stephen, laß ihn sofort los! «
»Ihn loslassen? « rief Stephen verblüfft. »Er wollte dich töten. « Er runzelte die Brauen, als er Tams glucksendes Lachen hörte.
»Mich töten! « fauchte Alicia. »Du bist der größte Narr, der mir je begegnet ist. Rab wäre ihm längst an die Gurgel gesprungen, wenn Gefahr von ihm ausgegangen wäre. Steck dein Messer weg, bevor du noch jemand verletzt. «
Benommen schob Stephen sein Messer in die Scheide zurück. »Dieser verdammte Hund lag so still, daß er aussah wie tot. « Er rieb sich den Hinterkopf. Sein Rückgrat fühlte sich an, als sei es an mehreren Stellen gebrochen.
»Er hat recht, Alicia«, sagte Tam. »Er tat nur, was er tun, mußte. Mein Name ist Tam MacArran«, sagte er und streckte Stephen die Hand hin. »Wo hast du so gut kämpfen gelernt? «
Stephen zögerte kurz, ehe er die Hand des Schotten ergriff. Am liebsten hätte er jetzt nämlich Alicia übers Knie legen wollen, weil sie ihn einen Narren schimpfte, daß er ihr Leben verteidigen wollte. »Stephen Montgomery«, sagte er, während er Tam die Hand schüttelte. »Ich habe einen Bruder, der ebenso gebaut ist wie du. Ich entdeckte, daß es nur eine Möglichkeit gab, ihn zu besiegen. Ich mußte schneller sein als er. Und ein Akrobat brachte mir ein paar Tricks bei, die mir bei so bärenstarken Männern schon oft aus der Verlegenheit geholfen haben. «
»Das glaube ich dir aufs Wort! « Tam rieb seine Nase. »Ich fürchte, die ist gebrochen. «
»Oh, Tam! « rief Alicia, während sie Stephen einen gehässigen Blick zuwarf. »Komm mit ins Lager, damit wir den Schaden besehen können! «
Tam rührte sich nicht. »Ich glaube, da solltest du erst deinen Mann um Erlaubnis fragen. Ich vermute, er ist dein Mann, oder? «
Stephen faßte in diesem Moment so etwas wie Zuneigung zu diesem Mann. »Ich habe bereits ein paar Narben, die das beweisen. «
Tam lachte.
»Also gehen wir und schauen wir zu, ob wir auch ein Faß Bier auftreiben können. Und ich würde gern ein Wörtchen mit meinen Wachen reden. Unbegreiflich, daß sie nicht merkten, wie sich Alicia aus dem Lager schlich. Eine Schar gepanzerter Ritter hätte keinen größeren Lärm machen können. «
»Größeren Lärm! « schnappte Alicia. »Ihr Engländer seid wirklich Groß… «
Tam legte ihr die Hand auf die Schulter und brachte sie so zum Schweigen. »Dein Mann hat dich gehört. Das genügt.
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