Alicia
Und nun geh voraus und besorge mir etwas warmes Wasser zum Waschen. Ich habe das Gefühl, das Blut klebt mir sogar hinter den Ohren. « Er musterte Stephen mit liebevollem Respekt. »Du hast eine recht kräftige Handschrift. «
Stephen grinste. »Noch so ein Rammstoß gegen den Baum, und mein Rückgrat wäre zersprungen. «
»Aye«, meinte Tam, »du hast eben kein Fleisch auf den Rippen. Da bin ich schon besser gepolstert. «
»Ha! « schnaubte Stephen, »wenn ich so dick wäre wie du, könnte ich mich nicht mehr bewegen. «
Die Männer grinsten sich an und folgten dann Alicia ins Lager.
»Stephen! « rief Chris, als sie den Lagerrand erreichten. »Wir hörten den Lärm, doch es dauerte eine Weile, ehe wir merkten, daß du das Lager verlassen hast. Himmel, was ist mit deinem Rücken? Und wer ist dieser Mann? «
Fackeln wurden angezündet, als die Männer von dem Lärm erwachten. »Leg dich wieder schlafen, Chris«, sagte Stephen. »Schick nur jemand mit warmem Wasser zu mir und zapfe für mich ein Fäßchen Bier an. Tretet ein, Tam! «
Tam sah sich im Innern des Zeltes um. Die Wände waren mit blaßblauer Seide verkleidet, der Boden mit Orientteppichen ausgelegt. Er setzte sich auf einen geschnitzten Eichenstuhl. »Eine schöne Burg hast du da«, sagte er.
»Vergeudetes Geld! « fauchte Alicia. »Viele Menschen hungern, und… «
»Ich bezahlte die Männer, die mir das Zelt anfertigten, und ich vermute, daß sie sich mit dem Geld ihre Nahrung verdienten! « schnaubte Stephen.
Tam sah von Alicia zu Stephen. Er las Zorn und Feindseligkeit in ihren Augen, aber in den seinen Toleranz und vielleicht sogar Liebe. Und Stephen hatte ihn angegriffen, weil er dachte, er, Tam, bedrohte Alicia ernsthaft mit dem Messer.
Das heiße Wasser wurde hereingebracht. Die beiden Männer zogen sich bis zum Gürtel aus und begannen, sich zu waschen. Alicia untersuchte Tams Nase und versicherte ihm, sie sei nicht gebrochen. Stephens Rücken war ein blutige Masse an den Stellen, wo die Baumrinde die Haut abgeschürft hatte.
»Ich glaube, du solltest dich um deinen Mann kümmern«, sagte Tam ruhig. »Sein Rücken ist ganz blutig. «
Alicia warf Stephen nur einen hochmütigen Blick zu und verließ mit Rab das Zelt.
Tam nahm ein Stück Leinen auf. »Setz dich, Junge, damit ich dir den Rücken waschen kann. «
Stephen gehorchte. Tam wusch ihm vorsichtig die Wunden aus. Stephen sagte: »Vielleicht sollte ich mich für die Manieren meiner Frau entschuldigen. «
»Nicht nötig. Eher sollte ich mich bei dir entschuldigen, denn ich habe mitgeholfen, daß sie so wurde, wie sie ist. «
Stephen lachte. »Dann hatte ich ja sogar einen guten Grund, mit dir zu kämpfen. Sagt — ob sie wohl jemals ihren Zorn auf mich überwinden wird? «
Tam wrang das blutige Leinen aus. »Schwer zu sagen. Sie und Davey haben eine Menge Gründe für ihren Haß auf die Engländer. «
»Davey? «
»Alicias älterer Bruder. «
Stephen schwang herum. »Bruder! Alicia hat einen Bruder, und dennoch erklärte ihr Vater sie zu seinem Nachfolger? «
Tam kicherte und drehte Stephen wieder herum, damit er mit dem Reinigen der Wunden fortfahren konnte. »Dir müssen die Schotten unbegreiflich erscheinen, wie? «
Stephen schnaubte: »Unbegreiflich ist noch ein mildes Wort dafür. Was für ein Mann ist Alicias Vater gewesen? «
»Du solltest mich lieber fragen, was für ein Mann ihr Bruder ist. Davey war ein wilder Junge, vom Tag seiner Geburt an nicht ganz richtig. Er ist ein hübscher Bursche und hat eine gewinnende Art, die die Leute dazu bringt, seinem Willen zu gehorchen. Nur schien er nie zu begreifen, daß seine Taten sich selten zum Wohl des Klans auswirkten. «
»Aber Alicia tat nichts, was dem Klan schadete? Sie redet immer nur von ihrem Klan — und ihrem verdammten Hund. «
Tam betrachtete lächelnd Stephens Hinterkopf. »Ihr Vater Jamie machte sich nie Illusionen über seine Tochter. Sie hat ein hitziges Temperament, und zuweilen ist sie auch ein bißchen nachtragend. « Er übersah den Blick, den Stephen ihm zuwarf. »Aber, wie gesagt, sie liebt den Klan. Dem Wohl des Klans ordnet sie alles unter. «
»Und deshalb wurde sie ihrem Bruder als Nachfolger vorgezogen. «
»Aye, das stimmt, aber so einfach, wie es sich anhört, war es doch nicht. Sie hatte ein Abkommen mit ihrem Vater, daß sie einen Mann seiner Wahl heiraten sollte. Er ließ ihr allerdings die Freiheit, sich zwischen drei Männern zu entscheiden, die er als Bewerber aussuchte — alle
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