Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alicia

Alicia

Titel: Alicia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
Vom Netzwerk:
hob sie vom harten Boden auf. Sie schmiegte sich schlaftrunken an ihn, als er sie ins Zelt zurücktrug.

6. Kapitel
    Am späten Nachmittag des folgenden Tages erreichten sie Larenston Castle. Alicia, die ihre Ungeduld nicht länger zügeln konnte, gab ihrem Pferd die Sporen.
    »Bleib an ihrer Seite«, raunte Tam Stephen zu. »Ich wette, so etwas wie Larenston hast du in deinem Leben noch nie gesehen. «
    Neugierig auf das Haus, das sein zukünftiges Heim sein sollte, trieb Stephen seinen Hengst die grasige Anhöhe hinauf.
    Tam hatte recht: auf den Anblick von Larenston war er durch nichts vorbereitet. Der Hügel, auf dem er ritt, brach unvermittelt ab und fiel in ein breites, tiefes Tal hinunter, in dem zottelige Rinder grasten und die Hütten von Kleinbauern standen. Ein schmaler Pfad führte quer durch das Grasland und kletterte an der gegenüberliegenden Talwand wieder in die Höhe. Überragt wurde die Talwand von einem hohen, flachen roten Felsen, der sich über die Talsohle hinaus erstreckte und als Halbinsel ins Meer hineinragte. Wie eine riesige gepanzerte Faust lag der Fels in der Brandung. Die Halbinsel war nur durch eine schmale Felsbrücke, die nicht breiter war wie eine Fahrspur, mit dem Festland verbunden. Auf drei Seiten fiel sie steil ins Meer hinunter, und zu beiden Seiten der Felsbrücke stand ein Torhaus, jedes drei Stockwerke hoch.
    Der Schloßkomplex selbst bestand aus mehreren Häusern aus Stein, die eine riesige Halle umschlossen. Eine Burgmauer gab es nicht. Sie wäre auch nicht nötig gewesen, da die Steilwände der Halbinsel, die aus dem Meer aufstiegen, mit Leichtigkeit von wenigen, mit Pfeil und Bogen ausgerüsteten Männern verteidigt werden konnten.
    Alicia wandte sich ihm zu, ein Leuchten in den Augen, wie er es noch nie an ihr bemerkt hatte. »Sie ist noch nie eingenommen worden«, sagte sie schlicht und trieb dann ihr Pferd den Abhang hinunter.
    Stephen hatte keine Ahnung, woher sie wußten, daß sie wieder nach Hause kam. Jedenfalls öffneten sich wie auf Befehl die Türen aller Hütten, und die Leute strömten heraus, kamen ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen.
    Stephen trieb sein Pferd zum Galopp an, um auf gleicher Höhe mit ihr zu bleiben. Doch dann hielt er sich zurück, als sie hastig aus dem Sattel stieg und die Leute umarmte — Männer, Frauen, Kinder, selbst die fette Gans, die ein Kind sich als Schoßtier hielt. Er war gerührt von dieser Szene. Er hatte sie nur als zornige junge Frau erlebt. Sie hatte ihm erzählt, daß ihr der Klan wichtiger sei als das eigene Leben, doch er hatte sich unter dem Klan keine Einzelpersonen vorstellen können. Sie schien sie alle persönlich zu kennen, rief jeden beim Namen, erkundigte sich nach den Kindern, Krankheiten, ihren Sorgen und ob sie irgendwie zu helfen vermochte.
    Er hob sich im Sattel und sah sich um. Der Boden war karg. Sein Hengst scharrte nur Torfmoos vom steinigen Boden. Trotzdem sah er auch Felder im Tal. Die Gerste, die darauf wuchs, hing nicht mit fetten Ähren am Halm, doch leere Spreu war sie auch nicht. Die Hütten waren klein und armselig.
    Da wurde es Stephen bewußt, daß diese Leute auf gleicher sozialer Stufe mit den Leibeigenen auf den Gütern seiner Brüder standen. Alicia gehörte das Land, das diese Leute bewirtschafteten.
    Sie nahm ein Stück Käse von einer Frau entgegen, die ihre Leibeigene war, stellte Stephen verwundert fest. Sie behandelte Leibeigene, als gehörten sie zu ihrer Familie. In England hüteten sich die Ladys davor, mit ihren Leibeigenen in Berührung zu kommen. Undenkbar, daß sie sich von ihnen küssen ließen! Und die Leute nannten sie Alicia, nicht Lady Alicia, wie es ihr nach Stand und Geburt zukam.
    »Du machst ein finsteres Gesicht, Junge«, sagte Tam neben ihm. »Was mißfällt dir so an dieser Begrüßung? «
    Stephen nahm seinen Hut ab und fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar. »Ich glaube, ich muß einiges dazulernen. Mir scheint, ich habe nicht den rechten Begriff von dem, was ein Klan ist. Ich dachte, ihre Klangenossen wären Edelleute wie die Männer meines Gefolges. Sie sind alle von hoher Geburt. «
    Tam betrachtete ihn einen Moment. »Klan ist ein gälisches Wort und bedeutet Kinder. « Er blinzelte. »Und was die hohe Geburt betrifft, so kannst du jeden Schotten nach seiner Herkunft fragen. Sie stammen ausnahmslos von irgend einem schottischen König ab. «
    »Aber diese Armut… «, begann Stephen und hielt inne, da er fürchtete, Tam zu beleidigen.
    Tams Mund

Weitere Kostenlose Bücher