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Alicia

Alicia

Titel: Alicia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Haut unter dem dünnen Leinen. Diese schottische Mode hatte doch viele Vorteile. Durch englische Stoffe vermochte man höchstens einen Knochen zu ertasten.
    Stephen befreite sich zuerst aus seiner Trance. Er spürte, daß man sie beobachtete. Er öffnete die Augen und hob ein wenig den Kopf, seine Lippen immer noch auf Alicias Mund gepreßt. Er hatte gar nicht gemerkt, daß sein Pferd auf dem Torweg weitergaloppiert war. Jetzt passierten sie schon die Torhäuser, und er sah sich von mehreren Männern umringt, alles nüchterne, ernste Gestalten, die ihre Gefühle nicht zeigten.
    »Alicia, Liebling«, sagte Stephen leise.
    Alicia reagierte prompt. Sie löste sich mit einem Ruck von ihm und sah auf die Männer hinunter. »Douglas«, flüsterte sie und glitt in die ausgebreiteten Arme eines Schotten. Der Reihe nach begrüßte sie die Männer der Torwache.
    Stephen stieg bedächtig aus dem Sattel und führte sein Pferd am Zügel durch das Tor. Die Männer sprachen nicht mit ihm und beachteten ihn auch nicht mit einem Blick. Doch Stephen spürte sehr deutlich, daß sie ihn mißtrauisch und wachsam belauerten. Alicia ging ein paar Schritte vor ihm und scherzte mit den Männern.
    Stephen fühlte sich ausgeschlossen, einsam. Die Männer, die ihm feindselig die Schulter zeigten, waren anders gekleidet als die Leute unten im Tal. Sie trugen durchweg Hosen und Schuhwerk wie Tam, und einige hatten sogar Schaftstiefel, die ihnen bis zum Knie hinauf reichten. Doch keiner hatte den Unterschenkel oder das Knie mit Stoff oder Leder bedeckt.
    Sobald sie das schmale Tor passiert hatten, öffnete sich der Fels zu einem weiten Plateau. Sie kamen auf dem Weg zum großen Haus an mehreren kleinen Gebäuden vorbei, die Stephen nun als Werkstätten erkannte. Da waren eine Reihe von Ställen, eine Molkerei, eine Schmiede, sogar ein Garten, der mit Gemüse und Kräutern bestellt war, befand sich zwischen den Wirtschaftsgebäuden. Eine Burg, die sich auf diese Weise selbst versorgte, konnte eine lange Belagerung überstehen.
    Das Innere des Wohnraumes war einfach und schmucklos. Die Steinwände waren feucht, ungetäfelt, ja nicht einmal mit Farben aufgehellt. Die schmalen Fenster ließen kaum Licht herein. Es war kalt in dieser Burg, kälter noch als draußen in der frostigen Herbstluft; doch nirgends sah er ein wärmendes Feuer.
    Alicia setzte sich auf einen nackten Holzstuhl. »Also, Douglas, berichte, was sich inzwischen hier zugetragen hat! «
    Stephen stand abseits und beobachtete die Szene. Niemand fragte, ob sie es bequem hatte oder ob sie von der Reise müde sei.
    »Die MacGregors haben wieder unsere Weiden überfallen. Vor zwei Nächten raubten sie uns sechs Stück Vieh. «
    Alicia runzelte die Stirn. Mit den MacGregors würde sie sich später befassen. »Was für Probleme gibt es im Klan? «
    Der Mann, den sie Douglas nannte, zupfte geistesabwesend an seinen langen Haaren. »Das Land am Loch ist wieder zum Zankapfel zwischen Robert und Desmond geworden. Robert behauptet, die Lachse wären sein Eigentum; doch Desmond fordert Bezahlung dafür. «
    »Ist schon Blut deswegen geflossen? «
    »Nein; aber es wird bald dazu kommen. Soll ich ein paar Männer hinschicken, die den Streit bereinigen? Ein bißchen mit dem Schwert dazwischengehen? Das wird das Feuer rasch wieder ersticken. «
    Stephen streckte sich. Er war gewohnt, solche Streitigkeiten zu schlichten. Doch Tam legte ihm rasch die Hand auf den Arm, ehe er sich einmischen konnte.
    »Fällt dir nichts Besseres ein als dein Schwertarm, Douglas? « fragte Alicia mit erzürnter Stimme. »Will es dir nicht in den Kopf, daß die Männer nicht ohne Not miteinander streiten? Robert muß sieben Kinder versorgen, und Desmond hat eine kränkelnde Frau und keine Kinder. Also muß es einen Weg geben, die Sache friedlich zu regeln. «
    Die Männer sahen sie verständnislos an.
    Sie seufzte. »Befehle Robert, er soll sein ältestes und jüngstes Kind Desmond zur Pflege geben. Robert wird sich hüten, Fische für sich zu fordern, mit denen seine eigenen Kinder gefüttert werden sollen. Und Desmonds Frau wird nicht mehr mit ihrem Mann hadern, daß sie keine eigenen Kinder hat. Was gab es noch für Probleme? «
    Stephen lächelte, als er ihre weise Entscheidung vernahm. Ihre Weisheit gründete in der genauen Kenntnis ihres Klans und in der Liebe für ihre Schützlinge. Es war wie eine Offenbarung für ihn, sie in ihrer gewohnten Umgebung zu beobachten. Ihr Kinn war nicht mehr zornig emporgereckt,

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