Alicia
König Heinrichs Menagerie.
»Es muß doch eine Möglichkeit geben, diese Männer zu überzeugen«, sagte Stephen leise.
»Mylord! « einer seiner Männer trat zu ihm, »eine Rinderherde der MacArrans ist im Norden überfallen worden. Die Männer satteln bereits die Pferde. «
Stephen nickte heftig. Endlich eine Chance, den Schotten zu zeigen, was für tüchtige Kämpfer seine englischen Ritter waren. Er hatte jahrelang gegen Diebe und Wilderer gekämpft.
Die schwere Rüstung machte schnelle Bewegungen unmöglich. Sein Knappe erwartete ihn schon mit seinem Schlachtroß, das ebenfalls gepanzert war. Diese Pferde waren schwer, seit Jahrhunderten dafür gezüchtet, das Gewicht eines Ritters in schwerer Rüstung und seine Waffenlast zu tragen. Als Stephen und seine gepanzerten Männer in den Sattel stiegen, waren die Schotten längst losgeritten. Stephen dachte besorgt, daß er um der Disziplin willen eine Bestrafung durchsetzen mußte.
Erst viele Jahre danach konnte Stephen an die Ereignisse jener Nacht auf dem schottischen Hochmoor zurückdenken, ohne vor Scham in den Boden zu versinken.
Es war bereits dunkel, als sie den Ort erreichten, wo die MacGregors die Rinder gestohlen hatten. Den Lärm, den die gepanzerten Reiter machten, war meilenweit zu hören. Ihre Rüstungen klirrten, die Hufe der schweren Pferde donnerten über den Boden.
Stephen glaubte, die MacGregors würden ihn wie Engländer zu einem Kampf Mann gegen Mann erwarten. Doch er und seine Leute konnten nur betroffen zusehen, wie sich der Kampf entwickelte. Etwas Derartiges hatte Stephen bisher noch nicht erlebt oder sich vorstellen können.
Die Schotten sprangen von ihren Pferden und schwärmten in den Wald aus. Sie warfen die Plaids von den Schultern, so daß sie in ihren weiten Hemden besser laufen und sich freier bewegen konnten. Es gab großes Geschrei unter den Bäumen, und dann hörte er das Klirren der Claymores, der zweischneidigen schottischen Schwerter.
Stephen gab seinen Männern das Zeichen, abzusteigen. Sie folgten, sich nach den Geräuschen orientierend, den Schotten in den Wald. Doch die Schotten waren bereits wieder woanders. Die schweren Rüstungen machten die Engländer zu langsam, zu unbeweglich.
Stephen sah sich verwirrt um, als einer von Alicias Männern aus dem Schatten der Bäume trat. »Wir schlugen sie in die Flucht«, sagte dieser mit einem Hauch von Schadenfreude.
»Wie viele sind verletzt? «
»Drei Verwundete, kein Toter«, sagte der Schotte knapp und lächelte dann. »Die MacArrans sind zu schnell für die MacGregors. « Der Mann war noch ganz atemlos von der Aufregung des Gefechts. »Soll ich ein paar Leute zusammenholen, die Euch wieder aufs Pferd heben? « fragte er und grinste ganz unverhohlen, als er Stephen in seiner Rüstung betrachtete.
»Hör mal! « empörte sich Chris, »wenn du uns beleidigen willst, bekommst du mein Schwert zu spüren! «
»Gemach, englischer Hund«, höhnte der Schotte. »Ich schneide dir den Hals durch, ehe du auch nur einen Finger in deinem Stahlsarg krumm machen kannst! «
»Hört auf! « befahl Stephen. »Chris, steck dein Schwert in die Scheide zurück. Und du, Douglas, kümmerst dich um die Verletzten. «
»Du kannst ihm doch diese Unverschämtheit nicht durchgehen lassen«, sagte Chris. »So bekommen sie nie Respekt vor dir. « »Respekt kann man nicht eindrillen«, gab Stephen barsch zurück. »Respekt muß man sich erwerben. Los, wir reiten zurück nach Larenston. Ich habe zudem eine Menge zu bedenken. «
Alicia setzte sich im Bett auf. »Bist du taub? Ich habe dich gefragt, wie viele Leute bei dem Überfall verletzt wurden! «
Stephen drehte sich um, als bemerkte erst jetzt ihre Gegenwart. Seine Augen glitten über ihren nackten Körper, doch er blieb ungewöhnlich zurückhaltend, während er seinen Gürtel löste. »Niemand wurde ernsthaft verwundet. Nur ein paar Nähte am Arm. Das war alles. «
»Wessen Arm mußte genäht werden? «
Stephen winkte ab und stieg nackt neben ihr ins Bett. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte zur Decke. Er machte keinen Versuch, sie zu berühren. »Francis wurde am Arm verletzt, glaube ich«, sagte er schließlich.
Alicia sah ihn stimrunzelnd an. Was war nur mit ihm los? »Haben die Schotten dich so verschreckt, Engländer? Waren meine Männer zu stark für dich oder zu schnell? «
Zu ihrem Erstaunen reagierte diesmal Stephen nicht auf ihren Spott.
»Zu schnell«, sagte er ernsthaft, während er nach wie vor zur
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