Alicia
Decke starrte. »Sie bewegten sich rasch und leichtfüßig. Natürlich würden sie in England damit nicht weit kommen, weil eine Handvoll gepanzerter Ritter fünfzig von ihnen erlegen könnte. Doch hier… «
»Fünfzig! « schnaubte Alicia. Im nächsten Moment hämmerte sie mit beiden Fäusten gegen Stephens Brust. »Du wirst nie den Tag erleben, wo ein Engländer fünfzig Schotten auch nur ein Haar krümmen könnte! «
»Hör auf damit. Ich habe schon genug wunde Stellen am Körper! «
Sie hielt inne. Sein Körper war so warm, sein Haar noch feucht von der Nachtluft, und eine blonde Locke hing hinter seinem Ohr. Sie hütete sich, sein Haar zu berühren, und lag ganz still neben ihm. Doch zuweilen fühlte sie sich so allein, daß sie nicht wußte, was sie tun sollte. Ihre Vorstellung von der Ehe war eine Partnerschaft, wo Mann und Frau ihr Leben und ihre Liebe teilten. Doch sie war mit einem Engländer verheiratet!
Stephen drehte sich ihr zu und küßte ihre Schläfe. »Was ist das? « fragte er verwundert. »Erst Schläge und jetzt Tränen? «
»Natürlich nicht! Mir ist nur etwas ins Auge gekommen. «
Er schlang den Arm um sie und drehte sie zu sich. »Du lügst«, sagte er nüchtern, betrachtete ihr Gesicht, berührte das Grübchen am Kinn. »Du und ich sind Fremde«, flüsterte er. »Wann werden wir Freunde sein? Wann wirst du dein Wesen mit mir teilen? Wann wirst du mir den Grund deiner Tränen verraten? «
»Wenn du zum Schotten wirst! « sagte sie so heftig, wie sie vermochte. Doch Stephens Nähe gab ihren Worten einen seltsamen Klang, als wären sie eher ein Flehen statt eine unmögliche Forderung.
»Einverstanden! « rief er so zuversichtlich, als könne er sich tatsächlich in einen Schotten verwandeln.
Sie wollte ihn auslachen, ihm sagen, daß er nie zu einem Schotten oder zu ihrem Freund werden könne. Doch er zog sie an sich und küßte sie.
»Meine schöne, wunderschöne Frau«, flüsterte er, während seine Nägel sachte an der Sehne ihrer Kniekehle entlangfuhren. »Ich wünschte, ich würde dir nicht nur im Bett gefallen! «
Stephen stand unter dem niedrigen Dach einer Kate und wärmte sich die Hände an einem Torffeuer. Ein rauher Wind blies von Norden, und ohne Feuer hätte man es in der Hütte nicht aushalten können. Tam war auf Besuch bei seiner Schwester und hatte daher Alicias Haus vor ein paar Tagen verlassen. Der stämmige, schon betagte Mann saß an der entfernten Seite des Feuers, ein Fischernetz über den bloßen Knien. Er zog mit seinen plumpen Fingern die Knoten im groben Tauwerk fest.
»Du möchtest also, daß ich dir helfe, dich nicht mehr wie ein Narr aufzuführen«, sagte er ernsthaft.
Stephen drehte sich um. Er war noch immer nicht ganz daran gewöhnt, daß Schotten sich in seiner Gegenwart benahmen, wie es ihnen beliebte. Und dann dachte er zurück an den Überfall auf die Rinderherden und schüttelte den Kopf. »So möchte ich es nicht gelten lassen«, sagte er langsam. »Es ist richtig, daß ich mich sowohl vor meinen Männern wie vor den Schotten blamierte. Mir war, als stünde ich in einem Stahlsarg vor Douglas. Seine Bemerkung war zutreffend. «
Tam hielt einen Moment mit der Arbeit inne. »Douglas war immer der Meinung, Jamie hätte ihn zu Alicias Ehemann bestimmen sollen. « Er lachte leise, als er Stephens Gesicht sah. »Keine Bange, Junge, Jamie wußte sehr genau, was er tat. Douglas ist ein guter Gefolgsmann, aber kein Anführer. Er hat viel zu große Ehrfurcht vor Alicia, um jemals ihr Meister werden zu können. «
Stephen lachte. »Kein Mann ist stark genug, ihr Meister zu werden. «
Tam äußerte sich nicht dazu, lächelte nur still in sich hinein. Morag behielt das Ehepaar immer im Auge und berichtete ihm, wie sich ihr Zusammenleben entwickelte. Tam wollte sichergehen, daß Alicia von dem Engländer keine Gefahr drohte. Nach allem, was Morag ihm erzählt hatte, war Tam überzeugt, daß Stephen der Gefährdete war — als Ehemann seine Manneskraft zu erschöpfen.
Tam sah hoch. »Das erste, was Ihr tun müßt, Stephen, ist, Eure englischen Kleider abzulegen. «
Stephen nickte. Das hatte er erwartet.
»Und dann müßt Ihr laufen lernen — schnell und ausdauernd. «
»Laufen! Ein Soldat soll nicht von der Stelle weichen, wenn er kämpft! «
Tam schnaubte: »Unsere Art ist das nicht. Ich dächte, das hättest du schon begriffen. Wenn du nicht willens bist, zu lernen, kann ich dir auch nicht helfen. «
Stephen fügte sich widerwillig.
Eine Stunde
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