Alicia
in den Schnee. Er schob sacht das Visier zurück.
Er sah nicht auf, als er die Stimme eines Knappen hinter sich hörte: »Lord Chris wollte den Schotten zeigen, wie die Engländer kämpfen können. Er legte seinen Panzer an und forderte MacGregor zum Zweikampf heraus. «
Stephen betrachtete den leblosen Körper seines Freundes. Er wußte, daß die schwere Rüstung seinen Freund schwerfällig und fast bewegungslos gemacht hatte. Der McGregor hatte sich nach Belieben die Stellen aussuchen können, wo er seinen Gegner treffen wollte. Auch die beste Rüstung deckte nicht alles am Körper zu. Und an einigen Stellen war der Stahl verbogen oder eingedrückt.
»Sie versuchten, ihn zu retten. «
Erst jetzt wurde Stephen auf die drei Schotten aufmerksam, die bei Chris lagen. Ihre kräftigen jungen Körper waren blutüberströmt und schrecklich entstellt.
Stephen spürte Zorn in sich aufwallen. Sein Freund war tot! Er richtete sich auf, packte Alicia am Arm und drehte sie so, daß sie die vier toten Männer ansehen mußte.
»Das ist die Folge deiner Eskapade! Schau sie dir an! Kennst du diese Männer? «
»Ja«, brachte sie flüsternd hervor. Sie hatte sie ihr ganzes junges Leben lang gekannt. Sie blickte weg von den Toten.
Stephen faßte ihre Haare und zwang sie, wieder auf die Toten zu blicken. »Erinnerst du dich noch an den Klang ihrer Stimmen? Kannst du ihr Lachen hören? Kennst du ihre Familien? « Sie drehte ihren Kopf zur Seite, damit sie auf den toten Engländer schauen mußte. »Chris und ich wurden gemeinsam aufgezogen. Wir sind als Geschwister aufgewachsen. «
»Laß mich los«, rief sie verzweifelt.
Stephen gab sie mit einer jähen Handbewegung frei. »Du hast mich mit Gift betäubt und führtest deine Männer zu einem Kampf auf der Weide, der damit endete, daß du dem MacGregor deine Initiale auf den Körper schnitztest. Was für eine dumme, kindische Handlung! Und jetzt müssen wir den Preis für deine Dummheit bezahlen, oder? «
Sie versuchte, den Kopf hochzuhalten. Sie wollte nicht glauben, daß er die Wahrheit sagte.
Douglas streckte sein Schwert in die Luft. Er war hinter Alicia und seinen Vater hergeritten. »Wir müssen diese Bluttat rächen! « rief er. »Wir müssen sofort in den Kampf gegen den MacGregor reiten! «
»Ja«, fiel Alicia in seinen Ruf ein, »wir müssen das auf der Stelle vergelten! «
Stephen machte einen Schritt vorwärts und schmetterte Douglas die Faust ins Gesicht. Er nahm ihm das Schwert weg, als Douglas im Sattel wankte.
»Hört mich an«, sagte Stephen langsam, damit die Männer, die ihm gefolgt waren, auch jedes Wort verstanden. »Hört mir gut zu! Das wird gesühnt werden, jedoch nicht mit noch mehr Blutvergießen. Diese Fehde ist sinnlos, und ich werde mich nicht an einer Rache beteiligen, die immer größere Verluste nach sich ziehen wird. Mit Blutvergießen werden diese Männer dort nicht mehr lebendig. « Er deutete auf die vier blutigen Leichen zu seinen Füßen.
»Ihr seid ein Feigling«, sagte Douglas, der sich sein schmerzendes Kinn rieb.
Ehe Stephen etwas sagen konnte, stand Tam neben seinem Sohn. Er hielt den Dolch in der Hand, zielte damit auf den Brustkorb seines Sohnes. »Du magst mit diesem Mann darüber streiten, ob er recht hat. Doch wenn du ihn einen Feigling nennst, ist das eine Beleidigung! « sagte er mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme.
Douglas sah seinem Vater in die Augen und nickte dann, ehe er sich Stephen zuwandte. »Ich bin bereit, dir zu folgen«, sagte er.
»Ihm folgen! « Alicias Stimme war eher ein Aufschrei. »Ich bin die MacArran. Hast du vergessen, daß er ein Engländer ist? «
Tam sprach für seinen Sohn: »Ich glaube nicht, daß wir so viel vergessen haben, wie wir hinzulernten. «
Alicia fragte ihn nicht, was er hinzugelernt hatte. Sie sah die Gesichter ihrer Männer der Reihe nach an und erkannte an ihren Mienen, daß ihre Einstellung sich geändert hatte. Sie wußte nicht, ob die Wandlung sich allmählich vollzogen hatte oder plötzlich kam, weil man ihr die Schuld gab für den Tod dieser Männer. Sie wich einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände. »Nein«, flüsterte sie, wandte sich um und eilte zu ihrem Pferd.
Sie achtete nicht darauf, wohin sie ritt und wie weit. Die Tränen verwischten die Konturen der Hügel und Stege, über die sie galoppierte, und sie merkte nicht einmal, daß sie die Grenze des MacArran-Landes überschritt.
»Alicia! « rief jemand hinter ihr.
Sie gab ihrem Pferd die Sporen, um
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