Alicia
und von den rauchenden Ruinen der Siedlung wegritt.
Eine Stunde später war Chris zum erstenmal mit Alicia einer Meinung. Die beiden Männer, die sich so ähnlich sahen, als sie nach Schottland kamen, zeigten inzwischen erhebliche, nicht nur äußerliche Unterschiede. Chris trug immer noch englische Kleider — ein Wams aus schwerem Samt und mit Nerz gefüttert, Kniehosen aus Satin, darunter eine Strumpfhose aus feiner Wolle. Stephen dagegen trug das Plaid, und seine Haare ringelten sich um seine Ohren, was ihm sehr gut stand. Seine Beine waren wettergegerbt und die Muskeln daran geschmeidig von den täglichen Wettläufen mit den Schotten.
»Sie hat recht«, sagte Chris. »Du kannst nicht einfach in die Burg des Nachbarklans gehen, an die Tür klopfen und verlangen, du möchtest mit dem Boss sprechen. Ich habe ein paar schreckliche Geschichten gehört, wie er mit solchen Leuten zu verfahren pflegt. Du kannst noch froh sein, wenn er dich auf der Stelle umbringt. «
»Was soll ich dann tun? Mich in einen Sessel setzen und zuschauen, wie meine Leute verwundet und ihre Häuser in Asche gelegt werden? «
Chris starrte seinen Freund an. »Deine Leute? « fragte er verwundert. »Seit wann bist du zu einem Schotten geworden? «
Stephen strich sich grinsend durch die langen Haare. »Es sind gute Leute, und ich wäre stolz, einer der ihren zu sein. Nur das hitzige Temperament von Alicia ist an dieser Panne schuld. Ich bin sicher, dieser neue Streit läßt sich auf friedliche Weise schlichten. «
»Weißt du denn nicht, daß diese Fehde schon ein paar hundert Jahre andauert? Jeder dieser Klans ist mit jedem anderen verfeindet. Was für ein barbarisches Land! «
Stephen hatte nur ein mildes Lächeln für seinen Freund übrig. Vor ein paar Monaten hatte er noch genauso gedacht. »Komm ins Haus und trink einen Becher Whisky mit mir. Ich bekam gestern von Gavin einen Brief. Er will, daß ich ihn zu Weihnachen mit Alicia besuche. «
»Wird sie mit dir zu ihm kommen? «
Stephen lachte. »Sie wird mitkommen, ob sie will oder nicht. Und wie steht es mit dir? Willst du uns begleiten? «
»Mit dem größten Vergnügen! Ich habe dieses kalte Land wirklich lang genug genossen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie du bei diesem Wetter halbnackt herumlaufen kannst. «
»Chris, diese Kleider sind sehr bequem. Sie lassen dir viele Möglichkeiten offen. «
Chris schnaubte. »Die Möglichkeit, mir gewisse Körperteile zu verkühlen, ist nicht sehr verlockend für mich. Aber vielleicht gibt es hier auch die Möglichkeit, zu jagen. Ich hatte mir gedacht, ich nehme ein paar von deinen und meinen Männern mit und erlege einen Elch. «
»Nur, wenn du versprichst, auch ein paar von Alicias Männern mitzunehmen. «
Chris schnaubte verächtlich. »Ich weiß nicht, ob ich mich von diesem Vorschlag beleidigt fühlen soll. « Er lenkte rasch ein, als er die Veränderung auf Stephens Gesicht bemerkte. »Schön. Ich werde tun, was du sagst. Wenn es zu Schwierigkeiten kommt, wäre es gar nicht so unklug, ein paar von deinen barbeinigen Männern bei mir zu haben. « Er legte Stephen lächelnd die Hand auf die Schulter. »Ich sehe dich morgen wieder — hoffentlich mit frischem Wildbret. «
Stephen sollte Chris nicht mehr lebend Wiedersehen.
Die Wintersonne ging gerade unter, als vier von Alicias Männern durch die Tore am Anfang der Halbinsel ritten. Ihre Kleider waren blutig und zerfetzt. Einer von ihnen trug einen blutigen, verwinkelten Schnitt auf der Wange.
Stephen war auf dem Exerzierfeld und hörte aufmerksam zu, als Tam ihm die Kampfesweise mit der Lochaber-Axt erklärte. Alicia stand in der Nähe und sah den beiden Männern zu.
Tam bemerkte die arg zerzausten und verschwitzten Männer zuerst. Er ließ seine Axt fallen und rannte zu ihnen, Stephen und Alicia ihm dicht auf den Fersen. »Was ist passiert, Francis? « keuchte er und zog den jungen Mann vom Pferd.
»MacGregor«, sagte dieser. »Der Jagdtrupp wurde angegriffen. «
Stephen saß schon auf seinem Pferd, ehe Francis zu Ende geredet hatte. Der Junge sah zu Stephen hinauf. »Zwei Meilen hinter dem See auf der östlichen Fahrstraße. « Stephen nickte, ehe er seinem Pferd den Zügel freigab. Er schien gar nicht zu merken, daß Tam und Alicia versuchten, sein Tempo mitzuhalten.
Die untergehende Sonne spiegelte sich rötlich auf Chris’ Rüstung, als er regungslos auf dem gefrorenen schottischen Boden lag. Stephen sprang von seinem Pferd und kniete sich neben seinen Freund
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