Alicia
von deinen Männern auslachen lassen, weil ich mit eingeklemmtem Schwanz zurückkomme? Nein! « Er beruhigte sich ein wenig. »Wir würden unsere Ehre retten, wenn wir im Triumphzug nach Hause kämen. Wir reiten mit deinem englischen Mann in Larenston ein, und jeder, von König Heinrich bis zum letzten Bauern, würde uns dafür Dank schulden. «
»Ich… nein, das ist unmöglich. Stephen ist… «
»Denke darüber nach. Du hättest deine Leute wieder fest in der Hand. Ich könnte in Ehren nach Hause kommen. Oder liegt dir mehr an deinem englischen Ehemann als an deinem Bruder? « fragte er mit bitterem Hohn.
»Nein, natürlich nicht. Aber wenn ihm ein Leid geschieht… «
»Du beleidigst mich. Hältst du mich für schwachsinnig? Wenn ich ihm etwas antue, fällt König Heinrich über uns her. Bitte, Alicia, denke darüber nach. Verwirre deinen Klan nicht noch mehr. Warte nicht, bis sie auf dem Schlachtfeld stehen und sich zwischen England und Schottland entscheiden müssen. Spalte nicht ihre Treuepflicht. «
»Davey, ich muß jetzt wieder gehen. «
»Bitte! Du sollst nur nachdenken. In drei Tagen treffe ich dich wieder auf der Klippe. Dort, wo Alex abstürzte. «
Sie sah ihn überrascht an.
»Ich weiß gut Bescheid über meinen Klan«, sagte er, während er sich in den Sattel schwang.
Sie starrte ihm nach. Sie hatte Angst vor ihrer Rückkehr nach Larenston. Doch ein MacArran konnte sich Feigheit nicht leisten.
9. Kapitel
Alicia ging langsam über den Hof. Drei Tage hatte sie nach dem Tod ihrer Männer zum Nachdenken Zeit gehabt. Daveys Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Sinn. Jede Minute wurde ihr deutlicher bewußt, daß ihre Männer sich Stephen zuwandten. Es war ganz natürlich, daß sie sich einem Mann unterordnen wollten, da sie erst vor Monaten noch hinter Jamie MacArran geritten waren. Doch Alicia traute keinem Engländer. Sie hatte als Gefangene bei Sir Thomas Crichton reichlich Gelegenheit, sie zu studieren.
Was Stephen betraf, war er vom Tod seines Freundes zutiefst erschüttert. Er redete kaum mit ihr, und zuweilen ertappte ihn Alicia dabei, wie er ins Leere starrte. Gleich nach dem Tod der vier Männer hatte er Anweisung gegeben, die Sachen für die Reise nach England zu packen. Er sagte, er wollte Chris’ Leiche zu seiner Familie zurückbringen.
Nachts, wenn sie allein waren, lagen sie Seite an Seite, ohne sich zu berühren, ohne miteinander zu reden. Der Anblick ihrer toten Männer war für sie ein ständiger Alptraum. Sie fragte sich, wie ihr Vater damit fertiggeworden war, wenn ein Fehler ihn das Leben von Männern gekostet hatte, die er liebte. Sie spürte, wie sich ein Knoten in ihrem Hals zusammenzog. Der Laird eines Klans weint nicht. Sie mußte stark sein und durfte das Alleinsein nicht fürchten.
Neben ihrer Last, ihrer Schuld, bedrückte sie noch Daveys Vorschlag. Sie kannte den Stolz ihres Bruders. Sie wußte, wie schwer es ihm gefallen war, sie um etwas zu bitten. Doch wie konnte sie ihm Stephen in die Hände liefern?
Sie preßte die Hände gegen die Ohren. Sie wollte das Richtige tun, allen gerecht werden. Aber was war richtig?
Sie sattelte ihr Pferd und verließ die Halbinsel, um sich mit Davey zu treffen.
Davey starrte sie einen Moment mit brennenden, durchbohrenden Augen an. Als Alicia auf ihre Hände niedersah, wußte er, wie sich sich entschieden hatte.
»So! « sagte er, und seine Augen nahmen einen unversöhnlichen Ausdruck an, »du stellst deinen Liebhaber über deinen Klan! «
Sie sah ihn fest an. »Du weißt, das ist nicht wahr. «
»Dann darf ich daraus schließen«, schnaubte er, »daß ich es bin, dem du nicht traust. Ich hoffte, du würdest mir die Chance geben, dir zu beweisen, daß ich gereift bin. Daß ich nicht mehr der schreckliche Junge bin, der seinen Vater verfluchte. «
»Ich will das ja, Davey«, sagte sie ruhig. »Ich will das Richtige für jeden tun. «
»Aber das tust du ja gar nicht, verdammt noch mal! « brauste er auf. »Du hast nur deinen Vorteil im Sinn. Du hast Angst vor meiner Heimkehr. Du fürchtest, die Männer werden mir folgen, dem wahren MacArran. « Er drehte sich zu seinem Pferd.
»Davey, bitte, ich will nicht, daß wir so auseinandergehen. Komm mit mir nach Hause. Wenigstens für eine Weile. «
»Und zusehen, wie meine Schwester den mir zustehenden Platz im Klan ausfüllt? « höhnte er. »Nein, vielen Dank. Ich bin lieber König meines eigenen armen Königreiches als Diener in einem anderen. « Er sprang in den Sattel und
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