Alicia
daß er sie liebte. Doch er hatte nichts hinzugelernt! Er hielt sie immer noch für ein strohköpfiges, schwaches Spielzeug!
Ihre Stimme war ausdruckslos. »Ich mischte ihm einen Trank mit Kräutern, die, wie Kirsty mir sagte, heftige Magenkrämpfe hervorrufen. Er wird tagelang krank im Bett liegen müssen. «
Stephen starrte sie an. Wie sehr er ihr doch glauben wollte! Er hatte das Gefühl, er sei um Jahre gealtert, als er zusehen mußte, wie sie sich zu Hugh beugte und mit ihm redete. Er hatte sich die
Finger an den Gitterstäben blutig gerissen, als sie miteinander tanzten und Alicias Knöchel unter dem Kleidersaum nackt in der Sonne blitzten. Und sie meinte, er hätte ruhig in der Zelle warten sollen, obwohl sie ihn fast in ein reißendes Tier zu verwandeln drohte? Hätte er aus der Zelle freikommen können, wäre er hinuntergestürzt auf die Tanzfläche und hätte Hugh, seinen Freund, mit bloßen Händen in Stücke gerissen!
»Wir sollten jetzt gehen«, sagte sie kalt zu ihm und wandte ihm den Rücken zu.
Er kam erst wieder zur Besinnung, als Rab ihn mit seinem Bellen zum Gehen aufmunterte.
Er lief die Treppe hinunter zu Hughs Zimmer.
Hugh lag auf seinem Bett, die Knie bis an die Brust hinaufgezogen, umgeben von vier Dienern und drei Wächtern. »Verschwinde«, sagte er keuchend, während eine Welle von Schmerzen über seinen Leib wanderte, »ich möchte weder dich noch diese Hündin, die du geheiratet hast, noch einmal hier in meinem Haus sehen. «
Stephen wich von seinem Bett zurück. Doch zugleich breitete sich ein Lächeln über seinem Gesicht aus. Sie hatte ihm die Wahrheit gesagt!
»Hinaus, sagte ich! « befahl Hugh. Er faßte sich an den Leib und sank stöhnend in die Kissen zurück.
»Von einer Frau übertölpelt«, sagte Stephen lachend, als er das Zimmer verließ. Er lief die Treppe hinunter in die große Halle, wo ihn Alicia schon erwartete in weißer Bluse und kariertem Rock. Sie war wieder sein Hochlandmädchen. Er wollte sie in seine Arme nehmen, doch sie wandte sich nur kalt von ihm ab.
»Alicia«, begann er.
»Wenn du hier fertig bist, sollten wir reiten, denke ich. Aber bist natürlich mein Meister. Also bleiben wir noch einen Tag, Wenn du es befiehlst. «
Er starrte einen Moment in das eisige Blau ihrer Augen. »Nein, ich will nicht länger hierbleiben«, sagte er nach einer Pause. Er drehte sich von ihr weg und ging zum Vordereingang der Halle.
Sie hielt ihr Kinn hoch, als sie ihm zu den Ställen folgte, Nach einem stummen, gegenseitigen Übereinkommen schlugen sie abends kein Lager auf, sondern ritten in der Dunkelheit weiter. Sie sprachen nicht miteinander, sondern jeder ging für sich die letzten beiden Tage in Gedanken durch. Stephen wurde das Bild nicht los, wie Hugh Alicias Gesicht zwischen seinen Händen gehalten hatte. Er wußte, daß sie sich an Hugh gerächt hatte, wünschte aber, sie hätte es nicht auf eine so sanfte Weise getan. Sie hätte ihn mit dem Messer zurechtweisen sollen!
Was Alicia betraf, so hatte sie Hugh fast vergessen. Für sie zählte nur, daß Stephen ihr nicht vertraut, sondern ihre Loyalität angezweifelt hatte.
Im frühen Licht der Dämmerung ragten die Mauern der Montgomery-Burg vor ihnen auf. Sie hatte nicht so eine drohende, massive Festung erwartet, sondern eher ein Herrenhaus, wie Hugh Lasco es besaß. Sie warf einen Seitenblick auf Stephen und bemerkte, wie sein Gesicht aufleuchtete. So mußte auch sie aussehen, wenn sie nach Larenston heimkehrte.
»Wir werden die Burg durch das Tor am Fluß betreten«, sagte er und spornte sein Pferd wieder an.
Die Vorderseite der hohen Mauern waren mit zwei mächtigen Türmen bewehrt, die das geschlossene Tor flankierten. Sie folgte Stephen zu den niedrigeren Mauern, die zu einem unbedeckten Tunnel zusammenliefen. Sie führten zu einem kleineren Tor an der hinteren Seite der Burg.
Stephen zügelte sein Pferd, als sie zwischen den niedrigen Mauern ritten. Sogleich flog ein Pfeil durch die Luft und landete vor den Vorderbeinen seines Hengstes.
»Wer reitet dort? « fragte eine gesichtslose Stimme von der Mauerkrone.
»Stephen Montgomery! « erwiderte er laut.
Alicia lächelte, weil Stephens Stimme geprägt war von den summenden Lauten des Hochland-Schotten.
»Ihr seid nicht Lord Stephen, denn den kenne ich gut! Also wendet mit Eurer Mähre, denn niemand kommt durch diese Mauern, der nicht zu den Freunden der Montgomerys zählt. Wartet eine Stunde vor dem Haupttor, bis der Torwächter Euch vielleicht
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