Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
Wasseroberfläche hinterläßt. Ruhig, als habe
sich mit der Überquerung des Kraterwalls ihre Sehnsucht
völlig aufgezehrt, hockten sie an ihren Lagerfeuern, unter der
dünnen Oberschicht ihrer bewußten Wahrnehmung die
beängstigenden Tiefen des Unterbewußten, in das Dorthy nur
unter großen Mühen einen Blick werfen konnte, zu tief und
dunkel, um von ihrer inneren Mitte klar und deutlich reflektiert zu
werden. Sie tauchte dann voller Frustration aus ihrer Sessan Amuki auf und kehrte zu Andrews zurück, um ihm mit einem
Kopfschütteln mitzuteilen, daß es nichts Neues zu
berichten gab. Er nahm es gleichmütig hin. Zwar hätte er
sich neue Erkenntnisse durchaus gewünscht, aber Dorthys
Fehlversuche stärkten seine Hypothese und unterstützten ihn
in seinem beständigen Kampf gegen die Bevormundung durch das
Orbital-Kommando, das ihm verboten hatte, die neuen Männlichen,
die quälend langsam den Schriftzeichen zum Ende der Spirale
hinauf folgten, weiter zu untersuchen.
Angel Sutter, weniger geduldig als ihr Liebhaber und weniger
erfahren in den komplexen Machtspielen der Navy, konnte nicht
verstehen, warum Andrews die Burg nicht einfach für eine
komplette Erkundung freigab. »Ramaro hat zwar nominell das
Kommando, aber du bist älter und hast einen höheren
Dienstgrad«, sagte sie. Andrews lächelte sanft. Er hatte
sich im niedrigen Gras ausgestreckt und sah zu den flechtenartigen
Ranken des Baumes hinauf, der den Mittelpunkt ihres Camps bildete.
Dorthys Schlafsack lag auf der einen Seite, Andrews und Sutter hatten
ihre auf der anderen Seite des Stammes ausgerollt. Das kleine
Gerät für die Bereichsüberwachung hatte Andrews an
einer kräftigen Liane aufgehängt. Sein Blinken, welches
anzeigte, daß der überwachte Bereich gefahrenfrei war,
warf in Sekundenabständen einen grünen Schimmer über
sein Gesicht. Träge sagte er: »Ich könnte ihm einfach
sagen, daß ich vorhätte, in die Burg zu gehen. Aber ihr
könnt sicher sein, daß er, sobald ich ihm den Rücken
gekehrt hätte, sofort einen Notruf an das Orbital-Kommando
absetzen würde mit der Bitte um Erlaubnis, mich wegen Verletzung
des Kontaktverbots auf der Stelle niederzuschießen. Er
würde sie auch sofort bekommen.«
»Du übertreibst«, meinte Angel.
»Er würde es tun – nicht wahr, Dorthy?«
Von ihrem Platz auf der anderen Seite der kleinen Koch und
Heizeinheit, auf der Sutter ein Stew aus Huhn und schwarzen Bohnen
zubereitete (die Zutaten hatte sie sich aus dem Spender im Camp
zusammengemixt), antwortete Dorthy: »Ich würde ihm das
durchaus zutrauen. Aber wie ihr wißt, habe ich gegen diesen
fetten Bastard voller Vorurteile ohnehin eine starke
Abneigung.«
Andrews zog eine Braue hoch. »Selbst wenn Dorthys
Charakterbeschreibung zuträfe – dies wäre nicht der
wahre Grund, mich ohne Zögern umzulegen. Der wahre Grund ist
seine Karrieresucht. Als die Navy gegründet wurde, geriet er
durch seinen Austritt aus dem Friedenskorps von Groß-Brasilien
ein wenig aus dem Tritt und sähe darin jetzt nur eine gute
Gelegenheit, sich selbst wieder ein Stück voranzubringen. Sein
Problem ist, daß er die hierarchische Ordnung zu sehr mag und
sich nur in einer genau definierten Position wohl fühlt. Er ist
der jüngste Sohn einer Aristokratenfamilie, aber von niederem
Adel. Ich kenne diesen Menschenschlag weiß Gott in- und
auswendig. Von dieser Sorte haben wir viele auf Elysium. Du glaubst
mir nicht, Angel?«
»Ich komme aus der Gilde, die bestimmt eine ebenso
hierarchische Ordnung hat wie das Friedenskorps«, antwortete die
hochgewachsene Frau. »Trotzdem würde ich dich nicht so ohne
weiteres liquidieren. Zumindest im Moment nicht.«
»Mag sein, aber du kommst aus einer Überwachungseinheit,
bist eine Wissenschaftlerin. Was erhoffst du dir eigentlich für
später – nach all dem hier?«
Sutter warf den Kopf zurück und ließ das ihr eigene
leise, kehlige Lachen ertönen. »Welch eine Frage! Ich
weiß es nicht – vielleicht den Posten eines
Sektionsleiters. Das wäre ganz nett. Manchmal schafft mich
dieses ständige Probennehmen einfach.«
Andrews lächelte. »Siehst du, du hast also keine
nennenswerten Ambitionen. Ramaro dagegen…« – er hob
die Hand, als Sutter gutmütig protestierte –,»…
Ramaro schleppt einen ganzen Sack davon mit sich herum, obwohl die
Möglichkeiten im Endeffekt auch nur begrenzt sind. Er will in
der Navy bleiben, vielleicht sogar in die Führungsspitze
gelangen – was Gott verhüten möge.«
»Und was ist mit Ihnen,
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