Alien 2: Verborgene Harmonien
Cryostat
überhaupt nicht. -
»Okay, schon gut«, lenkte Miguel hastig ein. Dies war
keine leere Drohung gewesen. Der Blaue Bruder hatte ihm eindeutig
klargemacht, daß seine Kraft und sein Einfluß nie mehr
nachließen, solange er über den Sender des Overlanders und
seinen Compsim permanent mit seinem anderen Selbst in der Stadt in
Verbindung stand.
Miguel stampfte mit den Füßen, die im Wasser schon fast
steif vor Kälte waren, und schlug mehrmals die Arme um die
Brust. Seine Überjacke hatte er wegwerfen müssen, weil sie
mit Jonas’ getrocknetem Blut verschmiert war und stank. Das
weiße Regencape, das er in einem der Fächer des
Overlanders gefunden hatte, war nur ein schlechter Ersatz dafür.
»Wie lange brauchen sie denn noch? Ich fühle mich fast, als
wäre ich hier unten schon selbst in einem Cryostat.«
- Bald, Miguel. Bald wirst du sehen. -
Miguel schaute zu dem schmalen Streifen Nachthimmel über den
steil ansteigenden Kalksteinwänden der Klamm hoch. Von den
beiden Insurgenten – nicht länger mehr Rebellen, sondern
auf immer und ewig Sklaven des Blauen Bruders, der ihre
Persönlichkeit durch die Berührung mit dem Compsim
ausgelöscht hatte – keine Spur. Schwach hörte er die
krächzenden Stimmen aus dem Funkgerät des Overlanders. Er
hatte es selbst zu seiner Unterhaltung angestellt, nachdem der Blaue
Bruder seinen Körper wieder aus seiner Kontrolle entlassen
hatte. Die unempfängliche Passivität der beiden Sklaven
bereitete ihm Unbehagen. Sie wirkten nicht lebendiger als zwei
Maschinen mit menschlichem Aussehen, wenn man außer acht
ließ, daß sie atmeten, ihre Herzen schlugen und ihre
Mägen das Essen verdauten, das sie vor ihrer Übernahme
durch den Blauen Bruder verzehrt hatten.
Unter seiner Kontrolle war Miguel die ganze Nacht und den
folgenden halben Tag in den Outback hinausgefahren, Hunderte von
Kilometern weit, um den Patrouillen der Insurgenten zu entgehen. Das
Buschland war in felsiges Hochland übergegangen. Sie fuhren an
tiefen Abgründen vorbei und steile Hänge hinauf, bis sie
ein Aborigin-Dorf erreichten, etwa ein Dutzend runde Hütten auf
einem breiten Felsplateau, das über ein tiefes Flußtal
hinausragte.
Dort hatte der Blaue Bruder Miguel freigegeben, ihm aber keine
Ruhe gegönnt, bis er die Ursprungshöhle gefunden hatte.
Über eine Stunde lang hatte er die Umgebung des Dorfes
abgesucht, ohne dabei seine armseligen menschlichen Sinne durch den
Schlangenwurz-Extrakt schärfen zu können.
Erst danach war ihm erlaubt worden zu essen und, wenn
möglich, etwas zu schlafen. Doch durch die unangenehme
Anwesenheit der beiden Sklaven des Blauen Bruders war an Schlaf nicht
zu denken. Die meiste Zeit hockten sie unbeweglich am Boden und
atmeten gleichmäßig laut mit halbgeschlossenen Augen und
hängenden Armen. Gelegentlich wurde einer von innen her
geschüttelt. Dann erbebte der ganze Körper, oder der Kopf
bewegte sich seitwärts und von oben nach unten und zurück,
oder die Finger einer Hand schlossen und öffneten sich
minutenlang. Die einzelnen Teile des Blauen Bruders in ihnen
arbeiteten sich weiter vor und infiltrierten ihre Nervensysteme. Am
schlimmsten war es, wenn die beiden zu sprechen versuchten. Heraus
kamen dann kaum verständliche gurgelnde Laute, wie sie in Panik
geratene Ungeheuer in den schlimmsten Alpträumen
ausstoßen.
Zur Ablenkung hatte Miguel es sich angewöhnt, den
Funkverkehr, ziemlich verzerrt durch atmosphärische
Störungen, abzuhören. So erfuhr er, daß rings um die
Stadt irgend etwas im Gange war. Der Blaue Bruder hatte ihm nicht
verraten, was da los war, sondern nur gesagt, daß sein Vorhaben
jetzt noch dringlicher wurde.
Draußen waren die Schatten des kurzen Winternachmittags
länger geworden. Als die Nacht anbrach, verfielen die beiden
Sklaven in plötzliche Aktivität. Die Frau, Mari, hatte sich
in den Compsim im Overlander eingeklinkt und fuhr das Vehikel nahe an
den Rand der Klamm. Beide Sklaven hatten dann den Cryostat aus dem
Wagen gehoben. Miguel erhielt den Befehl, den schmalen Pfad zum
Eingang der Ursprungshöhle hinunterzusteigen, den die Abos aus
einer Seitenwand der Klamm herausgehauen hatten.
Während er noch seine tauben Füße wiederzubeleben
versuchte, hörte Miguel die Winde des Overlanders anspringen. Er
richtete den Strahl seiner Taschenlampe nach oben und sah den
Cryostat langsam zu sich herabschweben. Er trat ein Stück zur
Seite. Das Gerät setzte lautlos auf dem nassen Fels auf. Die
Taue, in denen es hing,
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