Alien 2: Verborgene Harmonien
Sitz, mit unsicheren Schritten taumelte sein
Körper durch den Rauch, um der Frau zu helfen. Mari kletterte
durch die Luke und zog den Cryostat, den Miguel ihr auf der Leiter
hochreichte, nach oben. Die Hitze sengte den Rücken des Dingo,
doch wie in einem Alptraum konnte er nicht davonlaufen. Erst als das
Gerät die Luke passierte, ließ der Blaue Bruder den Dingo
aus seiner Kontrolle – abrupt wie ein platzender Ballon. Miguel
griff schon nach der untersten Sprosse, als ihm sein Bündel
einfiel. Er kämpfte sich durch den Rauch. Der Blaue Bruder
protestierte schwach, schien aber offenbar nicht fähig, die
Kontrolle über Miguel wiederzuerlangen. Vielleicht hatte der
Schlag gegen den Kopf seine Macht über den Dingo
geschwächt.
- Keine Zeit mehr, Miguel! -
»Geh zum Teufel! Das ist alles auf der Welt, was ich
habe.«
- Die ganze Welt wird dir gehören, du Dummkopf. -
Inzwischen war der Qualm so dick, daß Miguel kaum seine
Hände sehen konnte. Er tastete nach den Sprossen der Leiter. Sie
waren glühend heiß. Hastig schwang Miguel sich durch die
Luke auf das gerippte Dach – und sah sich ringsum von Flammen
eingeschlossen.
- Spring, Miguel, spring! -
Er erkannte seine Chance, riß den Compsim von seinem
Gürtel und ließ ihn in den dichten Qualm fallen, der aus
der Luke quoll. Dann holte er tief Luft und sprang durch die
lodernden Flammen.
Er landete hart auf dem felsigen Boden und verstauchte sich dabei
den Knöchel. Er rollte sich ab und schaffte es, einige Meter
weit von dem brennenden Overlander wegzukriechen.
Die Frau stellte den Cryostat in sicherer Entfernung vom Wagen ab
und kam mit steifen Schritten zu Miguel herüber, der auf dem
feuchten Boden hockte und sich den schmerzenden Knöchel hielt.
Sie beugte sich zu ihm herunter und schlug ihn zwei-, dreimal hart
ins Gesicht. Ihre langen Fingernägel zerkratzten ihm die Wangen.
Im Licht der lodernden Flammen, die inzwischen den ganzen Wagen
einhüllten, war ihr Gesicht eine wütende Fratze. Ihr Mund
öffnete sich, und eine Stimme, die nicht die ihre war,
ertönte. »Ich habe gesehen, was du getan hast, Miguel.
Sobald ich Zeit habe, werde ich dich dafür bestrafen. Im Moment
wirst du für mich die gefrorenen Eier tragen. Nur das zählt
jetzt. Aber später… ja, später wirst du für deine
Tat bezahlen.«
- Und wie du bezahlen wirst –, ergänzte die schwache
Stimme in seinem Kopf.
»Zur Hölle mit euch beiden. Ich bin nicht euer Sklave,
verstanden?«
Die Frau zog ihre Pistole aus dem Holster, und die Stimme, die
nicht ihre Stimme war, sagte: »Ob du willst oder nicht, Miguel,
du wirst mir helfen. Du wirst den Cryostat für mich zur Stadt
tragen, und du wirst dich beeilen. Die Insurgenten sind nicht weit
hinter uns. Wir haben noch ein Rendezvous einzuhalten.«
Als die Frau kehrt machte, um den Cryostat zu holen, griff Miguel
rasch in sein Bündel und holte einen Streifen
Schlangenwurz-Extrakt heraus. Er ignorierte den schwachen, machtlosen
Protest des Blauen Bruders in seinem Kopf und schob sich den Streifen
unter die Zunge. Sofort breitete sich die vertraute, lang entbehrte
Taubheit auf seiner Haut aus. Die Schmerzen in der Beule am Kopf und
in dem verdrehten Fußgelenk verblaßten zu einem
gelegentlichen Aufblitzen am Rande seines Bewußtseins.
Als die versklavte Frau den Cryostat herüberbrachte, stand
Miguel auf dem unversehrten Bein und versuchte, den angeschlagenen
Fuß zu belasten. Sie verfolgte teilnahmslos, wie er die
Tragegurte über die Schulter warf, bedeutete ihm, vorauszugehen
und folgte ihm. Nur Miguel schaute zurück, als der Wagen wenige
Augenblicke später in die Luft flog.
Unter dem Einfluß der Droge blühte die Feuersäule
wie eine phantastische Nachtblume in der lebenden Kathedrale des
Waldes auf. Miguel wäre gern stehengeblieben, um weiter
zuzuschauen, aber die leere, mechanische Hülse von Mensch, unter
deren Gesichtshaut sich deutlich ein Geflecht aus blauen Linien
abzeichnete, befahl ihm weiterzugehen. So stolperte Miguel mit seiner
Last durch die Nacht, der Stadt und der Erfüllung der Pläne
des Blauen Bruders entgegen.
25 Die Kammer
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Schaudernd erwachte de Ramaira aus einem Traum, in dem er durch
eine endlose Finsternis gestürzt war – als habe sein
Körper sich in das verlorengegangene Kolonistenschiff verwandelt
– die Schwerkraftgeneratoren ausgefallen, der Fusionsantrieb
kalt, steuerlos durch das unendliche Universum treibend.
Draußen vor dem schmalen Fenster herrschte immer noch
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