Alien 2: Verborgene Harmonien
und
Vitamintabletten. Einen kleinen Heizwürfel.
Die Klappe des Spenders öffnete sich. De Ramaira nahm die
zwei Dutzend dunklen Biskuits heraus und verschloß sie
luftdicht in einer Plastikfolie. Sein Verstand arbeitete jetzt
schnell, doch blieb keiner der sich überschlagenden Gedanken
länger als für einen Moment haften. Wie Schneeflocken, die
an einer Fensterscheibe schmolzen. Er hatte das alles schon so lange
geplant, daß es ihm jetzt, wo es soweit war, unwirklich vorkam.
Er trug den Kaffee in das staubige Wohnzimmer hinauf und schaltete
das Trivia-Gerät ein. Auf jedem der öffentlichen
Kanäle war nur das Testbild zu sehen, begleitet von einem leisen
Rauschen. Doch hatte de Ramaira das Gerät so eingestellt,
daß er die verbotenen Frequenzen der Polizei und Armee
abhören konnte. Und da war einiges los. Er nippte an seinem
Kaffee und zappte sich durch alle Kanäle.
Drängende, körperlose Stimmen, untermalt von krachendem
Gewehrfeuer. Ein Polizei-Lieutenant verlas FVS-Sektionsnummern und
Koordinaten. Bilder der eingenommenen Vorstädte flackerten auf,
zeigten abgerissene Gestalten, die schemenhaft in den Rauchschwaden
auftauchten, zeigten die brennenden Lagerhäuser bei den
Docks… Ein Bilder-Kaleidoskop heftiger Kämpfe. Das waren
nicht mehr die schon gewohnten Scharmützel. Jonah Rivington
hatte recht behalten. Die Insurgenten hatten zum letzten großen
Schlag gegen die Stadt ausgeholt.
De Ramaira ging in sein Studierzimmer und steckte sich die kleine
.202 Automatic und die Cassette ein, die er in der vergangenen Nacht
aufgenommen hatte. Jetzt hatte er alles, was er brauchte, jetzt gab
es kein Zaudern mehr. Mit der Hand den Kolben der angenehm kompakten
Waffe umfassend, verließ de Ramaira zum letztenmal sein
Haus.
Die Straßen waren fast menschenleer. Die wenigen Leute,
denen der Schoßweltler begegnete, hasteten mit gesenktem Kopf
an ihm vorbei. Das erste Fahrzeug, das er sah, war ein
Luftkissen-Track, der, mit FVS-Arbeitern beladen, aus der Fifth auf
die Market Avenue bog. Die Market verlief diagonal durch die Stadt
von Norden nach Süden. Hinter der Barrikade aus Stacheldraht und
Ölfässern lag die Straße in tiefer Dunkelheit.
De Ramaira bemerkte die beiden Posten erst, als sie aus einem
Hauseingang traten und ihm den Weg versperrten.
Der Größere fragte nach seinem Passierschein, und beide
beugten sich darüber. Ungeduldig sagte de Ramaira: »Ich
leite den Einsatz an der Börse.«
Der größere Mann gab ihm den Passierschein zurück.
Sein Partner, ein dürrer alter Mann, verneigte sich
spöttisch. »Dann sollten Sie sich aber beeilen«,
meinte er und lachte.
»Ist jemand da, der die Bomben zündet? Hören Sie,
ist Max Rydell schon eingetroffen?«
Schwerfällig antwortete der Größere: »Wissen
Sie, der Name sagt mir nichts. Wir sind nur hierher beordert worden,
um Passanten fernzuhalten.«
»Aber die Kammer soll doch versiegelt werden, oder?«
Keiner der Posten kam mehr zu einer Antwort. Eine Splittergranate
heulte heran und schlug hinter der nächsten Kreuzung krachend in
den Boden. Das Grollen der Detonation rollte durch die leeren
Straßen.
De Ramaira spurtete los und sprang, immer zwei Stufen gleichzeitig
nehmend, die Stufen zum Eingang der Börse empor. Überall
lag zersplittertes Glas und Schutt. Dicker schwarzer Rauch quoll
über den Dächern der Lagerhäuser auf.
Die schweren Flügeltore der Börse standen einen Spalt
weit offen. Über der Stiege zur Zeitkammer brannte eine einzelne
Lampe.
Max Rydell stand an der Tresortür. Als de Ramaira die Treppe
herunterkam, drehte er sich um und grinste fröhlich. »Ich
wunderte mich schon, wo du bleibst, David. Aber du kommst genau im
richtigen Moment. Sag, wer hat da gerade auf wen geschossen? Es
hätte mich fast aus den Schuhen gehoben.«
»Ich denke, sie hatten das Polizeipräsidium im
Visier.«
»Hoffentlich jagen sie mir nicht mein Feuerwerk vorzeitig
hoch. Dann müßte Savory nämlich mit dran
glauben.«
»Das Polizeipräsidium soll auch gesprengt
werden?«
Rydell schob die Ärmel seines Overalls hoch. Er hatte
große Tränensäcke unter den Augen. »Nur eine
Vorsichtsmaßnahme, denke ich. Sie soll wohl verhindern,
daß das Gebäude mit all den geheimen Unterlagen in die
Hand der Rebellen fällt. Erzähl es aber niemand. Die ganze
Sache ist so geheim, daß nicht mal Constat damit gefüttert
wurde.«
»Das kann ich mir vorstellen.« De Ramaira dachte an
Constat und die versklavten Abos. Sehr wahrscheinlich hatte Savory
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