Alien 2: Verborgene Harmonien
leise. »Ist eine verdammt kleine Welt,
stimmt’s?«
»Als ich von Mount Airy hierherkam, dachte ich, ich
würde ein Leben brauchen, um Port of Plenty für mich zu
entdecken. Jetzt dämmert es mir allmählich, wie klein die
Stadt in Wirklichkeit ist.«
»Wissen Sie, was ich glaube? Wir machen uns alle nur etwas
vor, weil wir sonst zugeben müßten, daß wir nicht
alles unter Kontrolle haben, daß wir, verglichen mit dem, was
draußen im Universum los ist, nichts, aber auch gar nichts
wissen.«
Rick wandte sich ab. Die Intensität ihrer Worte bereitete ihm
Unbehagen.
Ein Scheinwerfer stach grell durch das nächtliche Dunkel. Auf
der anderen Seite der Terrasse klatschten die Gäste in langsamem
Takt in die Hände. Eine junge Frau wand sich in bedächtiger
Wonne und schälte sich dabei Lage um Lage aus ihrem schwarzen
Wickelkleid.
»Ich denke, ich sollte jetzt gehen. Kommen Sie, ich will mich
verabschieden.«
Sie gingen zu dem Tisch in der Ecke zurück.
»Ihr kommt gerade richtig, um mich hier abzulösen. Die
beiden da nehmen alles so ernst, daß es kaum zu ertragen
ist«, sagte de Ramaira.
Rick stellte sein Glas ab. »Ich muß jetzt gehen.«
Ihm war klar, daß es in Wahrheit niemand interessierte, ob er
blieb oder ging. Er gehörte nicht hierher.
»So früh schon?« De Ramaira schob den Stuhl
zurück und stand auf. »Komm, ich bringe dich nach
unten.«
Lena schüttelte ihr schweres schwarzes Haar zurück.
»Vielleicht sehen wir uns mal irgendwo.«
»Vielleicht.«
Web zerknüllte ein Papierblatt und warf es achtlos über
die Schulter. Es prallte gegen das Geländer und verschwand in
der Dunkelheit. »Vielleicht komme ich Sie mal besuchen. Es gibt
da ein paar technische Dinge, die ich klären möchte.«
In seiner Stimme schwang ein Hauch wie von lange einstudiertem Trotz
mit, als wolle er sein Gegenüber herausfordern.
Jon neben ihm runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
»Für Konsultationen der Studenten stehen wir jederzeit
zur Verfügung«, erwiderte Rick und folgte de Ramaira. Die
junge Frau hatte ihren Striptease unvollendet abgebrochen. Die Arme
unter den nackten Brüsten verschränkt, lehnte sie am
Geländer und beobachtete zwei junge Männer, die langsam
umeinander tanzten und wie verschreckte Eidechsen steife, abrupte
Bewegungen vollführten. Andere Gäste hatten einen Halbkreis
um sie gebildet und klatschten im Takt in die Hände.
Während er mit de Ramaira die Wendeltreppe hinabstieg, sagte
Rick ruhig: »Denkst du, du kannst mit diesen Kids dein Spielchen
treiben?«
»Das sind keine Kids«, wich de Ramaira der Antwort aus.
»Gib acht auf die letzte Stufe.«
»Mal ehrlich, David – denkst du, daß es Web mit
dem Vorschlag, die Relaisstation zu übernehmen, ernst
war?«
»Und du?« konterte de Ramaira. Dann lachte er.
»Darauf kann ich dir wirklich keine Antwort geben. Er ist Jons
Freund, nicht meiner.« Während sie die enge Diele
durchquerten, fragte er: »Wirst du ihn den Cops
melden?«
»Das wäre töricht.« Rick wußte nicht,
was de Ramaira mit der Frage bezweckte.
»Ganz richtig, Doktor. Hier entlang.« De Ramaira
öffnete die Eingangstür. »Komm gut nach
Hause.«
»Wirst du bald wieder zur Arbeit erscheinen?«
De Ramaira lächelte. »Vielleicht morgen schon,
vielleicht auch nicht. Bis dahin – auf Wiedersehen.«
»Bleib nicht zu lange auf, um finstere Pläne
auszubrüten.«
Rick ging die Straße hinab, blieb aber an der Ecke stehen.
Ihm war plötzlich klar geworden, warum Lena zu ihm
herübergekommen war und sich mit ihm unterhalten hatte. Die
ganze Zeit hat sie Jon verteidigt, dachte er, und ich habe es
nicht gemerkt. Er sah sich plötzlich inmitten der
Partygäste vor ihr auf die Knie sinken und um Vergebung winseln
– und runzelte die Stirn über diese seltsame Vision.
Rasch ging er den Hügel hinunter.
Mitternacht war schon vorbei, als Rick sein Haus erreichte. Die
halbversenkten Fenster waren hell erleuchtet. Cath drehte sich vom
Spender zu ihm um, als er in die Küche trat. Die Augen in ihrem
weißen, herzförmigen Gesicht glühten. »Ich
dachte schon, du würdest dir die ganze Nacht auf dieser Party
von Seelenfängern um die Ohren schlagen. Was war denn
los?«
Rick zog sich einen Stuhl heran. »Es war irgendwie
verwirrend, um nicht zu sagen – unangenehm«, antwortete er.
Unter seinem Gewicht spannte sich die Segeltuch-Sitzplane des Stuhls.
»Aber ich konnte mich einfach nicht früher loseisen. Wie
war’s bei der Familie?«
Das Schubfach des Spenders glitt
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