Alien 2: Verborgene Harmonien
auf. Mit dem Rücken zu Rick
erklärte Cath: »Es hat nicht lange gedauert. In dieser
Angelegenheit waren wir uns sofort alle einig.« Sie stellte die
Tasse auf den Tisch. »Da, für dich. Ich bestelle mir eine
neue. Was war verwirrend?«
Rick beobachtete, wie sie sorgfältig den Code in den Spender
eingab. Kleine häusliche Dienstleistungen lullen uns ein und
verschließen die Öffnungen in den Wänden gegen die
Machenschaften in der Welt draußen, dachte er.
»Wirklich, du hättest sicher deinen Spaß auf der
Party gehabt. Aber de Ramaira hatte mich sozusagen als eine Art
Orakel für ein paar seiner Studenten eingeladen.«
»Mmh – ich habe dir doch immer gesagt, daß der
Kerl dich nur benutzt. Er benutzt jeden für seine Zwecke –
das ist doch die Art der Schoßweltler, oder nicht? Ich dachte
immer, gerade dies sei der Grund, warum deine Leute nach Elysium
kamen – um dem zu entgehen.«
Mount Airy. Seltsam die Vorstellung, daß die Werkstatt immer
noch existierte – dreihundert Kilometer im Osten. Der Betonboden
schwarz und schmierig von Öl und Ruß, ölige
Stahlplatten neben roten Stahlregalen an die Wand gelehnt. Die Esse,
wie eine Kröte mit feurigem Schlund hinter ihrer Schutzwand
hockend… Die Werkstatt wurde jetzt von seinen Brüdern
betrieben. Nachdem seine Eltern und die Schwester umgekommen waren
– die Wassermassen eines plötzlichen Wolkenbruchs hatten
ihren Luftkissen-Truck eine über hundert Meter hohe Felsklippe
hinuntergespült – war Rick von Mount Airy weggegangen, um
die Chancen zu nutzen, die die Universität ihm bot. Das alles
lag aber noch nicht lange genug zurück, um die vertrauten
Eindrücke seiner Kindheit und Jugend verblassen zu lassen. Er
sagte nichts, sah nur zu, wie Cath ihre Tasse zu dem abgewetzten
Sessel vor dem großen Fenster trug, das wie ein schwarzer,
nachtdunkler Spiegel das Küchenlicht reflektierte.
Sie setzte sich und glättete mit einer Hand sorgfältig
die Falten ihres einfachen weißen Kleides. Dabei fragte sie:
»Wer waren diese Studenten? Was wollten sie?«
»De Ramaira hat jetzt einen Schützling. Kannst du dir
das vorstellen?«
»Bisher dachte ich immer, das wärst du«, erwiderte
Cath spitz.
»Sehr witzig. Wie auch immer – der Bursche nervte mich
mit den drei gängigsten Theorien zum Landungstag…«
»Wie, nur drei? Da habe ich aber schon ein paar mehr
gehört.«
»Er behauptete, er habe sie alle aufgelistet und nur die drei
häufigsten herausgepickt. Ich müßte hinzufügen,
daß alle von einem mechanischen Fehler ausgingen. Jedenfalls
war es ziemlich klar, daß de Ramaira mich eingeladen hatte,
damit ich meine Meinung zu den unausgegorenen Ideen der Kids zum
besten gebe.«
»Und natürlich hast du ihnen ihre Hirngespinste aus den
Köpfen geblasen.«
»Nun, ich habe ihnen eine Wahrscheinlichkeitsrechnung
aufgemacht.« Rick beschloß, Webs Vorschlag, die
Relaisstation für seine Zwecke einzusetzen, für sich zu
behalten. Es würde ohnehin nichts bei diesem Gespräch
herauskommen.
Cath lächelte. »Gerade jetzt solltest du dich nicht zu
oft mit de Ramaira zeigen.«
»Das wäre wahrscheinlich besser.« Rick nippte an
seinem Kaffee. »Sag mal, du hattest doch nicht etwa Streit mit
deiner Familie? Du scheinst es nicht besonders eilig zu haben, mit
mir darüber zu sprechen.«
»Es war kein Streit. Aber was sie mir zu sagen hatten, macht
alles etwas schwerer für mich.«
»So?« Rick verspürte plötzlich ein
Druckgefühl in seiner Brust. Hier bereitete sich etwas
Endgültiges vor.
»Du weißt doch, mein Vater erfährt als Mitglied
des Bürger-Komitees bestimmte Dinge, und wenn die Familie davon
betroffen ist, sagt er uns das sofort. Deswegen das Treffen heute
abend.«
»Etwas Schlimmes?«
»Ich weiß nicht. Kommt darauf an, was
dahintersteckt.« Sie senkte den Blick. »Der Stadtrat hat
das Bürger-Komitee darüber informiert, daß bei der
All-Kolonien-Versammlung antistädtische Gefühle hochkochen
könnten, und Arcadia die Konsequenzen zu tragen hätte, wenn
es solche Parolen weiterhin verbreitet. Arcadia muß
zurückstecken, es kann sich gar nichts anderes leisten. Daddy
befürchtet aber, daß einige Siedlungen etwas gegen die
Stadt im Schilde führen. Etwas Schlimmes.« Als sie den Kopf
wieder hob, hatte sie die Lippen zu einem schmalen Strich
zusammengepreßt. Rick kannte diese Regung bei ihr sehr gut. Sie
war ein Zeichen des Nicht-Verzeihens, aber auch der Abwesenheit, die
sie manchmal selbst beim Höhepunkt ihres Liebesaktes nicht
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