Alien 2: Verborgene Harmonien
ins Lächerliche
zog, nahm Lena sie doch ernst und machte sich Gedanken über die
seltsamen Aufgaben, die Rick zu erledigen hatte. Sie erkannte, wie er
sich tiefer und tiefer in Savorys Machenschaften verstrickte. Einmal
bemerkte sie ziemlich ernst, er habe sich sehr verändert.
»Wirklich?« Rick schob den letzten Löffel voll
Bouillabaisse – Echtnahrung, in den Hydroponik-Tanks
gezüchtet – in den Mund. Inzwischen war er fast ganz zu
authentischen Speisen übergegangen. Sie aßen in einem
kleinen Cafe am anderen Ende der Altstadt mit dem schönen Namen
›Die Andere Welt‹ – handgefertigte, aber schon
wacklige Tische und Stühle, die Decke versteckt unter einem
durchhängenden Fischernetz, auf einer Wand ein Holo des
sonnenüberfluteten Meeres, dessen blaue Wellen von weißen
Schaumrändern gekrönt wurden und im Licht der Erdensonne
wie Diamanten funkelten.
Es war ein altes Hologramm, an manchen Stellen schon sehr
verschwommen. Arbeiter aus den nahegelegenen Automaten saßen
bei der kupferbeschlagenen Tür und verfolgten gebannt ein
Seriendrama auf dem riesigen Triviaschirm.
»Wirklich.« Lenas Blick war ausdruckslos. »All
dieser Unsinn, den Sie für Savory herausfinden sollen, ist doch
nur der Anfang. Als nächstes werden Sie für ihn die
unloyalen Elemente in der Stadt aufspüren müssen. Er hat in
den Automaten schon eine Säuberungsaktion eingeleitet,
wußten Sie das? Ein paar Arbeiter aus der Fusionsfabrik wurden
vorige Woche verhaftet.«
»Woher wissen Sie all diese Dinge über Savory?«
»Man hört so einiges«, wich sie achselzuckend
aus.
»Vielleicht von Web? Oder von anderen Freunden, von denen ich
nichts wissen darf?«
»Ich habe Web nicht mehr gesehen, seit Sie ihn aus Ihrem
Zimmer geworfen haben.« Doch bei dieser Bemerkung schaute Lena
an ihm vorbei, und Rick wußte, daß er recht hatte. Nach
einem Moment fuhr sie fort: »Wenn Sie nicht achtgeben, werden
Sie noch genau so enden wie die anderen Mitläufer in der Stadt.
Leider haben viele Leute hier es schon aufgegeben, Fragen zu stellen.
Es ist zu unbequem. Sie akzeptierten einfach die Gaben, die ihnen aus
dem Himmel in den Schoß fielen, als Zeichen ihrer
natürlichen Überlegenheit. Das ist auch der Grund, wieso
Savory und der Rest der Bande ganz nach oben gelangen
konnten.«
»Langsam, langsam. Ich habe doch Fragen gestellt, wenn auch
auf meine Weise. Vielleicht nicht gerade über Politik, die mich,
offen gesagt, kaum interessiert, aber über diese Welt, über
die Art, wie sie funktioniert. Zum Beispiel, wieviel Zeit uns noch
bleibt, ehe das Klima sich wieder verändert. Das war
natürlich vor dem Krieg, und im Moment gibt es eben kein anderes
Thema, nicht wahr?«
Seine Antwort ließ Lena erröten. Schließlich
hatte er, obwohl er nicht so sehr viel älter war als sie, schon
seinen Platz im Leben, auf dieser Welt gefunden. »Sie
können zwar zur Zeit nicht an der Universität arbeiten,
aber vielleicht sollten Sie doch besser etwas anderes
machen.«
»Etwa Web weiterhelfen? Die Autorität der Stadtregierung
untergraben helfen? Kommen Sie, Lena!« Aber gleichzeitig
fühlte Rick wieder dieses nicht zu leugnende Erschauern: Sie
konnte ihm helfen, aus der Falle zu entkommen, in der er sich
gefangen sah. Weg von diesen undurchschaubaren Aufträgen, weg
von Savorys nackter Geltungssucht, die sich bei der Zerstörung
von Lake Fonda deutlich genug offenbart hatte.
»Ich bin weiterhin der Ansicht, Sie sollten die Arbeit bei
Savory aufgeben und an Ihre alte Stelle beim Wall
zurückgehen.«
»So herum ist die Sache nicht richtig, Lena. Savory kann
über mich verfügen, nicht ich über ihn. Wir
können nur hoffen, daß Ihre Freunde nicht recht haben, was
seine Person anbelangt.«
Lena trank ihren Wein aus. »Ich muß jetzt gehen«,
sagte sie und winkte dem Kellner, der sofort herbeigeeilt kam. Sie
schien wirklich überall gut bekannt zu sein, ein
kosmopolitischer Zug an ihr, den Rick sehr bewunderte.
Draußen fegte ein kalter Wind durch die Gassen. Er trug den
salzigen Geruch des Meeres heran. Lena hob den Kopf und atmete tief
durch. Die Schöße ihrer Lederjacke öffneten sich wie
Flügel, und sie sagte, der Wind dufte nach Freiheit.
Rick lachte. »Sie sehen aus, als wollten Sie sich gleich in
die Luft schwingen und davonfliegen.«
»Über das Meer, zu Ländern, die noch niemand
sah.«
»Außer einem – diesem Eljar Price.«
»Mein Gott, manchmal können Sie verdammt prosaisch
sein.« Sie lächelte.
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