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Alien 2: Verborgene Harmonien

Alien 2: Verborgene Harmonien

Titel: Alien 2: Verborgene Harmonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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gehalten,
nicht wahr?« sagte de Ramaira grinsend. »Dann warte mal,
bis du ihren Vater kennenlernst.«

 
16    Prosperos Insel
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    Lenas Vater war nicht nur seltsam, sondern auch entmutigend
beeindruckend, ein großer, ernster Mann mit einem Gesicht
voller Falten, die mehr als achtzig Lebensjahre darin eingegraben
hatten. In den Augen von Rick, der in einer Siedlung geboren war, wo
die durchschnittliche Lebenserwartung bei kaum mehr als fünfzig
Jahren lag, ein Alter fast so unglaublich wie das von Methusalem.
Sein Haus war ähnlich unglaublich. Obwohl nach außen eine
Kuppel wie die anderen in den Vorstädten, entsprach es nicht den
üblichen Vorstellungen eines Hauses mit viel Grün und Pools
und geschickt versenkten Zimmern. Es stand mitten in einer Insel von
hohen Büschen und war die Replik eines Holzhauses im gotischen
Stil aus dem 19. Jahrhundert mit Wänden aus gestrichenen
Holzbohlen, einem hohen Eingangsportal und einem steilen Spitzdach.
Sogar einen Turm besaß es – der völlig
überflüssige Blitzableiter auf seinem Dach berührte
fast die Wölbung der Kuppel. Es war, als ob ein Relikt aus der
Vergangenheit der Schoßwelt durch ein Wurmloch im Raum auf
Elysium heruntergefallen wäre.
    Das Heim eines Genies.
    Drinnen, wie es sich für das Heim eines Genies gehört,
war die Luft erfüllt mit Tönen und Lauten von tausenden
klimpernden Instrumenten und Stimmen. Eine Musik, die Rick sich nie
hätte träumen lassen – an diesem ersten Abend war es
der unerschöpfliche messianische Gesang der Vögel –
und dazwischen immer die Stimmen von Lenas Vorfahren. Sie befanden
sich in Matrix-Speichern direkt im Haus und waren ständig
zugeschaltet, gaben Kommentare zu den Gesprächen der Lebenden
oder führten unergründliche Unterhaltungen miteinander,
flüsterten und kicherten durch all die staubigen Zimmer wie eine
Horde von Gespenstern.
    Wie Prospero beherrschte Lenas Vater das ganze Haus mit ruhiger,
unbestrittener Autorität. An Ricks erstem Abend dort, nach dem
Konzert, zu dem Lena ihn eingeladen hatte, bat ihn der alte Mann, auf
dem Keyboard ein Prelude von Chopin zu spielen. Während Rick
sich durch das Stück mühte, lauschte der Senior mit
angespannter Aufmerksamkeit und strich sich dabei fortwährend
über die gebogene Nase. Die abwesenden blauen Augen hielt er
dabei auf einen imaginären Punkt in der Ferne gerichtet. Das
lange Haar, gelblich weiß und dünn wie Seide, trug er nach
hinten gekämmt. »Nett«, sagte er, als Rick geendet
hatte. »Wirklich nett, wenn auch ein wenig mechanisch. Sie haben
Talent, junger Mann. Sie sollten üben, nichts als üben.
Talente soll man nicht verkümmern lassen.«
    »Sie haben recht.« Rick empfand Erleichterung (diesen
Test bestanden zu haben) und eine gewisse Irritation (wie ein
Schulkind behandelt worden zu sein).
    »Sie dürfen Vater nicht böse sein«,
entschuldigte Lena sich hinterher. »Seine Gedanken drehen sich
nur noch um die Musik.«
    »Das einzige, woran jemand in diesem Hause denken
sollte«, ertönte die Stimme einer alten Frau aus der Mitte
eines mit Plüschmöbeln ausgestalteten Zimmers.
    »Wäre es mir möglich, würde ich genau das tun,
Großmutter«, antwortete Lena keck. »Aber du
läßt mich ja nicht an meinen eigenen Stücken
arbeiten. Was erwartest du also?« Dabei blinzelte sie Rick
zu.
    »Du bist genau so frech wie dein Vater, als er in deinem
Alter war. Du denkst nur an dich selbst, nicht an unser Erbe«,
sagte die alte, körperlose Stimme scharf. »Aber auch du
wirst noch verstehen lernen, junge Lena.«
    »Sie komponieren auch?« fragte Rick, der auf dem Rand
eines hohen Sofas aus Rindsleder saß, das bestimmt noch aus den
Gründerjahren von Port of Plenty stammte, und aus einer
dünnen Porzellantasse Kaffee trank. Lenas Stiefmutter, die
fünfte Frau ihres Vaters, eine mollige, stille Frau kaum
älter als Rick, hatte auf einem Tablett Kaffee, selbstgebackenen
Kuchen und für alle Fälle noch eine Karaffe mit Limonade
gebracht.
    Lena schüttelte den Kopf. »Nicht so ernsthaft, wie ich
es gerne täte. Mein Studium und das Quartett lassen mir kaum
Zeit dazu. Und wenn ich demnächst ganztags auf der
Hydroponik-Farm arbeite, werde ich noch weniger Zeit haben. Denn
einer in der Familie muß ja das nötige Geld heranschaffen,
verstehen Sie? Unsere Musik hat sich nie bezahlt gemacht, obwohl wir
momentan ganz gut mit Konzerten für die Truppen verdienen.
Angeblich, um ihre Moral zu stärken. Oder um sie wenigstens
etwas zu

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