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Alien 4: Die Herren der Erde

Alien 4: Die Herren der Erde

Titel: Alien 4: Die Herren der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Vermessungseinrichtungen
ermüdete nie, Singers Verstand dagegen sehr wohl. Jede halbe
Stunde zog er die Greifarme ein, bewegte sich ein Stück
zurück und zermalmte dabei mit den Laufflächen den fossilen
Untergrund.
    Es war während einer dieser Pausen, in denen er mit all
seinen Sinnen diese Welt, die er während seines langen Exils
lieben gelernt hatte, in sich aufnahm, als er einen Streifen
violetten Lichtes über den dunklen Himmel schießen sah.
Eine Ionisationsspur! Er schaltete seine optischen Sensoren auf
äußerste Brennweite, erspähte eine Kugel,
eingehüllt in glühendes Plasma, und verlor sie wieder in
den Verwerfungen der Atmosphäre. Dann befand sie sich
plötzlich genau über ihm. Der Hitzeschutzschild am breiten
Rumpf einer Versorgungskapsel platzte ab, ein großer silberner
Fallschirm öffnete sich über ihr. Singer behielt ihn in
seiner Optik, bis er aus dem Sichtfeld verschwand. Theoretisch
hätte derselbe Lichtbrechungseffekt, der die Sonne verzerrte und
an ihrem Standort fixierte, jeden Teil des Planeten einsehbar machen
müssen – zu einer Schüssel, die sich ins Unendliche
wölbte. Tatsächlich aber begrenzte die Lichtstreuung in der
dichten Atmosphäre die Sicht auf kaum mehr als sechs Kilometer.
Doch der Computer des Schürf-Robots hatte einen guten Teil der
Sinkkurve aufzeichnen können, um danach den ungefähren
Aufschlagort der Kapsel berechnen zu können – keine
zwölf Kilometer östlich draußen auf dem Lavafeld.
    Man hat mich einfach vergewaltigt, dachte Singer verärgert
und startete das Verfahren, das seinen Verstand in seinen Körper
zurückschickte. Mit einem heftigen, immer lauter werdenden
Brummen verschwand die Venus.
     
    Nach dem Unfall, der zwei seiner Gefährten das Leben kostete
und ihn stranden ließ, brauchte man zwei Jahre, um eine
Rettungsexpedition zusammenzustellen, und weitere sechs Monate, in
denen das Schiff einer weiten, langsamen, energiesparenden
Hohmann-Bahn folgte, ehe es die Venus erreichte. Nach so langer Zeit
hatte Singer sich an die Einsamkeit gewöhnt, und trotz Alice
Rackhams aufmunterndem Geschwätz und der späteren kurzen
Unterhaltungen mit seinen Rettern (früher hatte er einmal ein
Jahr lang mit dem Kommandanten Bobby Sarowitz für eine andere
Aufgabe trainiert, aber diese Mission war dann abgeblasen worden)
empfand er das Eindringen Dritter in den Orbit der Venus ebenso
abstoßend und unangenehm wie die Vorstellung, sich mit der
Untreue einer Frau auseinandersetzen zu müssen. Noch schlimmer
aber war der Gedanke, jemand anderer werde auf der Oberfläche
arbeiten, und er hatte sich daher angewöhnt, jedesmal sofort die
Funkverbindung zu unterbrechen, wann immer Rackham dieses Thema
anschnitt. Nach einer gewissen Zeit hatte sie dieses Verhalten
endlich begriffen und akzeptiert.
    Doch wenn auch die himmlischen Mechanismen nur langsam arbeiten,
so sind ihre Folgen doch unausweichlich. Die Rettungsmission war zwei
Tage zuvor glatt und sauber in den Orbit eingeschwenkt und würde
nach einem weiteren Tag zum Rendezvous bei Singers altersschwacher
Station eintreffen. Er hatte angenommen, daß sie mit der
Absetzung der Cyborg-Maschine noch warten würden, hatte aber
selbst nie mit ihnen darüber gesprochen. Daher sein Zorn und das
Gefühl, überrumpelt und vergewaltigt worden zu sein, als er
die Ionisationsspur am Himmel entdeckte.
    Schwärze, Analogie zu den elektrischen und chemischen
Gehirnströmen, wurde in seinen Verstand eingespeist, und die
frischen Erinnerungen verblaßten. Dann die Konstellationen der
kleinen Kontrollarmaturen über der Couch, die seinen Körper
am Leben erhielten, wenn er sich in die Verbindung einklinkte und
seinen Geist auf die elektronische Reise zur Planetenoberfläche
schickte. Singer schob das schweißnasse Haar zurück und
löste das dicke Hauptkabel aus der Steckdose in seinem Nacken,
öffnete den Schließhaken und katapultierte sich mit einem
ökonomischen Stoß seiner bis dahin ungenutzten Beine genau
durch die Schleuse in die Kommunikationsbucht der Station.
    Sein Signal benötigte mehrere Minuten, bis es die Erde
erreichte, und noch ein paar weitere, ehe es über die
JPL-Computer Dr. Alice Rackham ausfindig gemacht hatte. Während
der Wartezeit trank Singer Orangensaft aus einer Drucktüte. Der
kalte, selbstgerechte Zorn des leichtfertig und zu Unrecht Verletzten
wuchs in seinem Kopf wie die Spannung einer Batterie beim
Ladevorgang. Als endlich der Bildschirm aufflammte, begann er ohne
jede Vorrede: »Sie haben

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