Alien Earth - Phase 1
einfällt. Manchmal verlässt er das Haus tagelang nicht. An anderen Tagen steht er morgens um fünf auf, fährt auf seinem Roller davon, kommt zehn Minuten später wieder, geht auf und ab, fährt mit seinem Auto davon, kommt wieder, setzt sich hin und liest. Und so geht das den ganzen Tag weiter. Das ist doch seltsam, finden Sie nicht?«
»Was glauben Sie, was hinter diesen Fahrten steckt?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich bin sicher, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Niemand kann sich so viele Berechtigungen kaufen, um einfach hin und her zu fahren. Auch nicht mit viel Geld. Ich meine …«
Die Frau erzählte. Ekin ließ sie reden und holte sich die Akte des Beschuldigten auf die Datenbrille. Henri Paskawiak. 21, von Beruf Sohn. Die Eltern besaßen eine Fabrik für Spezialtextilien, waren gut im Geschäft mit Regierungsaufträgen. Aramidfasern, wie sie in Körperpanzern Verwendung fanden. Das passte als Erklärung für die Fahrberechtigungen. Verteidigung ging vor, und ein Abglanz dieses Imperativs blieb an all jenen haften, die damit befasst waren. Auch der Rest passte. Henri hatte bereits mehrfach mit den Behörden Bekanntschaft gemacht. Kleinere Ladendiebstähle, die eine oder andere Schlägerei - der übliche Kram für einen jungen Mann, der zu viel Geld und Zeit und keine Vorstellung davon hatte, was
er mit seinem Leben anfangen sollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine Phase, bevor er seinem Vater nacheiferte und seine Erfüllung in der Firma fand.
Vorausgesetzt, er geriet nicht in falsche Gesellschaft.
Vor einigen Monaten war er in Kontakt mit Alienisten gekommen. Einige der Fahrten, die seine Nachbarin als zielund sinnlos empfand, hatten ihn zu Treffen geführt. Auch das nichts Ungewöhnliches und durchaus legal. Es war erlaubt, davon zu träumen, dass die Aliens als Retter der Menschheit gekommen waren. Aber die Träume waren nicht ungefährlich. Henri wäre nicht der Erste, der bei den Alienisten seine geistige Heimat fand und zum Verräter an der eigenen Rasse wurde.
»… und er trägt diese furchtbaren Bänder.«
»Bänder?«
»Ich zeige sie Ihnen.« Die Frau stand auf, holte einige Blätter aus der Schublade und legte sie vor Ekin auf den Tisch. Es waren Fotos. Abzüge.
Die Frau bemerkte Ekins Zögern. »Das ist Absicht«, sagte sie. »Diese Aliens haben bestimmt schon alle unsere Computersysteme unterwandert. Unser Alien-Minister kann mir erzählen, so oft er will, dass er alles unter Kontrolle hat. Ich mache es diesen Aliens nicht noch leichter, als sie es sowieso schon haben.«
Ekin besah sich die Fotos. Sie waren von hervorragender Qualität und zeigten Henris Kopf in Großaufnahme. Den Kopf - und den Hals. Auf jedem Bild trug er eine Art Binde um den Hals, und jedes Mal eine andere.
»Sehen Sie?«, sagte die Frau. »Er steckt mit den Aliens unter einer Decke, das ist der Beweis. Wahrscheinlich spioniert er für sie die besten Landeplätze für die Invasion aus. Nehmen Sie die Bilder nur mit. Sie können sie behalten! Ich habe die Negative an einem sicheren Ort verwahrt.«
Ekin sagte nichts. Die Bilder bewiesen nur eines: dass die alte Frau in ihrer eigenen Welt lebte. Einer Welt, die mit der Realität nichts zu tun hatte. Henri trug Alienbänder. So wie es
Millionen anderer Leute in der Zwischenzeit taten. Sei es, dass es sich bei den Symbolen, die in die Bänder eingewebt waren, tatsächlich um universelle Freundschaftssymbole handelte, wie die Verkäufer behaupteten, die sie einem überall auf der Straße andrehen wollten. Sei es, dass sie es um der rebellischen Geste willen taten, indem sie die Invasoren zu Brüdern erklärten, sei es einfach gedankenlos, als hippes Accessoire oder weil gerade jeder ein Alienband trug.
Was Henri tat, war nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich wäre es gewesen, hätte ein junger Mann wie er auf die Alienbänder verzichtet. Dennoch, da war unbestreitbar eine Verbindung zur Alienistenszene, wenn auch nur zum geduldeten Teil, der sich gewaltfrei nannte. Es war ein Anfang. Und niemand konnte sagen, wohin er den Jungen führen würde … Ekin setzte einen Vermerk in seine Akte und brachte den Jungen, mehr war er trotz seines Alters nicht, ins Visier des Korps. Ab sofort würde man ein Auge auf ihn haben. Driftete er ab, würde das Korps sich einschalten. Das Geld und die Beziehungen seiner Eltern würden ihm dann nichts mehr nutzen. Es gab eine Grenze.
»… und er grüßt nie. Im Gegenteil, er sieht immer weg, wenn er einem begegnet, als hätte
Weitere Kostenlose Bücher