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Alien Earth - Phase 2

Titel: Alien Earth - Phase 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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wieso er gegenüber der Crew der Bitch so freigiebig war. Es war nicht schwer, Pasong etwas zu fragen. Der Alien wohnte zu jeder Zeit in mehreren Körpern, war immer irgendwie verfügbar. Es gab Tage, an denen Wilbur ihm mehrmals in kurzen Abständen begegnete: als asiatischem Jungen, dem man die Jahre der Mangelernährung für den Rest seiner Tage ansehen würde; als vor Kraft und Gesundheit strotzenden Athleten; als unauffällige Mitvierzigerin. Doch ganz gleich, in welcher Gestalt Pasong auftrat, er war unverkennbar. Pasong strahlte Macht aus, selbst wenn er in einem Körper nur eine mindere Präsenz unterhielt. Macht - und eine Traurigkeit, für die Wilbur keinen Grund finden konnte und die ihn manchmal eine überraschende Nähe zu dem Alien finden ließ. Wilbur kannte Trauer.
    »Du fragst dich, was wir als Belohnung erwarten?«, hatte er Wilbur mit einer Gegenfrage geantwortet. »Keine, im engeren Sinn. Dein Freund wurde von einer Sehnsucht gequält, die ihr mit euren Mitteln nur unvollkommen stillen konntet. Wir besitzen die nötigen Mittel, also haben wir sie gestillt. Über die Möglichkeit zu verfügen, aber sie nicht zu nutzen, hätte eine unnötige Grausamkeit dargestellt. Das ist alles.«
    Rodrigo war fertig mit dem Essen. Er wischte sich die Finger an den feuchten Servietten ab, die Wilbur mitgebracht
hatte. Der Lauscher brauchte lange dafür. Immer wieder entglitten die Tücher seinen ungeübten Fingern, rutschte er ab. Schließlich blickte er von seinen Händen auf und fragte: »Hast du Post gebracht?«
    »Ja.« Wilbur holte die Karten aus dem Seitenfach des Rucksacks und reichte sie Rodrigo.
    Es war ein knappes Dutzend. Viele, aber nicht ungewöhnlich viele. Der Lauscher sah sich die Bilder an. Eines zeigte eine Wüste, wie sie auch auf der Erde existieren mochte; eines war so schwarz wie der Schacht; die Übrigen waren verschwommen, als läge ein Nebel über ihnen. Wilbur sah Landschaften in ihnen, Städte und fremde Wesen. Ein anderer an seiner Stelle würde andere Landschaften, Städte und fremde Wesen in den Bildern sehen.
    Rodrigo drehte die Karten auf die beschriftete Seite. »Von Ana?«
    »Natürlich.«
    Rodrigo hob die oberste Karte mit einer steifen Bewegung an, hielt sie sich vor das Gesicht und kniff die Augen zusammen. Sein Mund formte lautlos und zögernd Worte. Dann steckte er die Karte zurück zu den anderen und hielt sie Wilbur hin. »Würdest du? Ich …«
    Wilbur nickte. Rodrigo konnte die Handschriften nicht lesen. Er hatte nie gelernt, etwas anderes als Druckschrift zu lesen. Wilbur, der alt genug war, einen strengen Lehrer der alten Schule gehabt zu haben, konnte es, wenn auch leidlich. Dass er die Karten mit eigener Hand geschrieben hatte, machte keinen Unterschied. Seine Hände waren nur das Werkzeug, derer sich die Aliens bedienten. Sie mussten schreiben. Ein Kribbeln erfasste seine Finger, unterließ Wilbur es. Ein Kribbeln, das sich immer weiter steigerte, das - gab er ihm nicht nach - seinen ganzen Körper erfasste und ihn in seiner ersten Zeit auf der Alien-Insel beinahe um den Verstand gebracht hatte. Pasong hatte es ihm selbst überlassen, seine Aufgabe zu begreifen. Wilbur hatte zwei Wochen gebraucht, bis er darauf gekommen war, was die Tasche mit den merkwürdigen Ansichtskarten
zu bedeuten hatte, die Pasong in der Bitch abstellt hatte - an einem Punkt, an dem er beinahe verrückt geworden war. Aber dann war er wie durch Zufall über die Karten gestolpert. Seine Finger hatten nach ihnen geschnappt, als wären sie ein Rettungsring, hatten sich einen Stift gegriffen und geschrieben, die ganze Nacht und den halben Tag, bis der Zwang, der an die Stelle des Kribbelns getreten war, abgeklungen war. Geblieben war eine köstliche Taubheit, die bis zum nächsten Tag angehalten hatte. Wilbur war mit neuem Kribbeln aufgewacht und hatte eine neue Tasche mit Karten vorgefunden.
    »Ich versuche es, Rodrigo.« Wilbur räusperte sich. Die Karten, die er mit der eigenen Hand geschrieben hatte, waren in Portugiesisch verfasst, und ihm blieb nur, von seinem begrenzten Spanisch auf das zu schließen, was er vor Augen hatte.
    »Das Wetter ist schön hier«, las er, »es scheint immer die Sonne.« Oder: »Gestern haben wir einen Ausflug nach Ibtan gemacht. Die Höhlengemälde dort sind wirklich beeindruckend.« Oder: »Sigma V ist toll! Wer hier keine Freunde findet, findet nirgends welche!«
    Die Karten kamen - angeblich - von Sigma V, aber sie hätten ebenso gut aus irgendeinem Urlaubsort

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