Alien Earth - Phase 2
drosch ihn zu Brei.
Zu Unrecht. Eine Woche später war erwiesen, dass ein Konkurrent einen Trojaner in den Stallrechner eingeschleust hatte. Der Rechner hatte das Tor geöffnet, nachdem Melvin es verschlossen hatte.
Melvins Vater war bestürzt. Unter Tränen - die ersten, die Melvin jemals bei ihm gesehen hatte - bat er seinen Sohn um Verzeihung und schwor ihm, wiedergutzumachen, was er angerichtet hatte. Und daran hielt er sich. Melvins Vater war ein Mann von Prinzipien. Seine eiserne Hand lastete von diesem Tag an nicht mehr so schwer auf dem Sohn. Melvin durfte zurück zur Schule, sein Vater teilte ihm die leichteren Arbeiten zu, steckte ihm heimlich Essen zu, erkundigte sich morgens, mittags und abends nach seinem Befinden, versuchte, ihn in Gespräche zu verwickeln.
Der Hass, der in Melvin gebrannt hatte, schwand dahin. Sein Vater war aufrichtig. Doch im selben Maß, in dem der Hass wich, nahm ein neues Gefühl seinen Platz ein: Verachtung. Was sein Vater tat, war jämmerlich. Für das, was er Melvin angetan hatte, gab es keine Wiedergutmachung, und je mehr sich sein Vater bemühte, desto klarer wurde es ihm.
Schließlich rannte Melvin davon. Verborgen unter den pickenden und hackenden Hühnern, die er so sehr hasste, schlüpfte er in einem Laster durch den Zaun, um das wahre Leben zu finden. Zwei Vorsätze nahm er mit: Erstens, niemals schnellen Schlüssen zu trauen. Und zweitens, niemals so ungerecht und jämmerlich zu werden wie sein Vater.
Ersteres war Melvin gelungen, so weit es einem Menschen möglich war. Zweiteres … manchmal gelang es ihm im Geiste, einen Schritt zur Seite zu treten und sich selbst zu betrachten. Was er sah, machte ihn rasend: Er war wie sein Vater geworden.
Pinedo hatte recht behalten. Der gezüchtigte Smartie hatte sich erholt. Innerhalb einer Woche war er wieder zu Kräften gekommen und erfüllte seither zuverlässig seine Quote. Als wäre nichts geschehen. Doch der Smartie war gezeichnet. Die langen Narben, die seinen Leib entlangliefen, standen wie Buchstaben auf dem fluoreszierenden Körper, der Beleg für Melvins Schuld.
Anfangs versuchte Melvin, sie zu verneinen. Die Smarties waren nicht besser als Hühner: Tiere, die für einen Zweck gezüchtet worden waren und deren Existenz zu Ende war, wenn sie ihren Zweck erfüllt hatten. War bei den Hühnern der Moment gekommen, hatten Laster sie abgeholt und zum Schlachthof transportiert. Hinkte ein Smartie länger als eine Woche hinter seine Quote her, fuhr er Fahrstuhl. Reeve gab Melvin den Befehl, und Melvin wiederum gab den Smarties beim Nach-Schicht-Appell den Befehl. Sie führten ihn aus wie jeden anderen Befehl, den Melvin ihnen gab. Die Prägung stellte es sicher. Die ausgemusterten Smarties setzten sich in eine Schaufel, die sonst das Hydrat beförderte, der Fahrstuhl fuhr an und beförderte sie zur Oberfläche, ihrem Ende entgegen. Durch explosive Dekompression, vermutete Melvin. Durch ein Schlachtermesser, sollte Pinedo recht haben und die Smarties überstanden den schnellen Aufstieg lebend. Der Arzt behauptete, ihre Wunderkörper steckten sogar einen Aufstieg aus 600 Metern Tiefe in Minutenschelle weg. Doch wie immer der Tod eintreten mochte: Ein Smartie bedeutete Tonnen wertvolles Fleisch.
Die Smarties waren Schlachttiere, mehr nicht. Zugegeben, größer als Hühner, nicht ganz so dumm, und man gab ihnen eine Beschäftigung, bevor man sie tötete. Aber dennoch Tiere. Menschen stand ein Gnadenbrot zu, wenn sie das Ende
ihrer Nützlichkeit erreicht hatten, zumindest in der Theorie. Tieren nicht. Das hatte vom Anbeginn der Zeit den Menschen vom Tier unterschieden. Und diese Unterscheidung galt weiter, ganz gleich, welche Gene die Designer vermischten oder erzeugten. Es war eine unüberbrückbare Barriere.
Nur: Wie kam es dann, dass die Smarties trauerten?
Und das taten sie. Der gezeichnete Smartie verriet es ihm als Erster. Melvin gelang es nicht, ihn nicht zu beobachten. In der ersten Zeit hatte er gute, solide Gründe für sein Handeln: Die Smarties waren wertvoll - ihre Nützlichkeit als Hydrat-Schürfer hatte Vorrang vor der Verwertung als Schlachttiere -, und er tat gut daran, auf den Smartie, den er gezüchtigt hatte, ein Auge zu haben. Kam es zu Komplikationen, musste er ihn so schnell wie nur möglich zu Eric Pinero schaffen. Tat er es nicht, konnte Reeve ihm die Schuld für den Verlust eines wertvollen Smarties in die Schuhe schieben und seine Dienstzeit unter Wasser verlängern. Reeve war immer auf der
Weitere Kostenlose Bücher