Alien Earth - Phase 2
Lichtblitz betäuben würde. Aber Pasong holte Schwung und stieß ihn in den flammenden Horizont.
Rudi spürte einen Widerstand, spürte, wie er ihn überwand. Für einen Augenblick drohte ihn eiskaltes Wasser zu erdrücken, dann legte sich eine flammende, warme Hülle um ihn.
Pasong erschien neben ihm, ein Körper in Flammen, und gab ihm die Hand. Gemeinsam schwammen sie der Meeresoberfläche entgegen.
Unter ihnen blieb Feuerland zurück, ein leuchtendes Kreuz in der Schwärze der Tiefsee.
Wolf, ich sterbe.
Die Eiweiße in meinem Gehirn entarten. Es gibt keine Rettung, auch wenn sie hier alles Menschenmögliche unternehmen. Singapur will nicht auf mein angebliches Genie verzichten. Im Augenblick züchten sie mir ein neues Gehirn. Wenn sie fertig sind, wollen sie mich verpflanzen (obwohl sie nie sagen, was genau. Meine Seele? Meinen Geist? Mein Ich? Mein Bewusstsein?). Sie kommen gut voran, sagen sie immer nur. Nicht zuletzt auf der Grundlage meiner Arbeiten. Bescheiden wie immer, deuten sie an, dass ich es eigentlich selbst bin, der mich rettet. Aber unter der Oberfläche brodelt die Wut. Ich bin alles, was sie noch haben. Alle anderen sind davongeschlüpft, haben sich sattere Weiden gesucht. Sterbe ich, wird sich ihre Wut auf furchtbare Art und Weise Bahn schlagen. Gut, dass ich wenigstens das nicht mehr erleben muss.
Wolf, lebst du noch?
»Gott würfelt nicht«, hat einmal ein berühmter Wissenschaftler des vorigen Jahrhunderts gesagt. (War es Einstein oder Teller? Oder Oppenheimer? Der Name entgleitet mir, wie so vieles.) Ich habe den Satz weder jemals geglaubt, noch habe ich mich je für einen Gott gehalten. Ich habe mir die Freiheit genommen zu würfeln, das war alles. Mit Genen. Das, dir kann ich es anvertrauen, ist mein ganzes Geheimnis. Ich habe wilder und in größerem Maßstab gewürfelt als alle anderen. Evolution im Zeitraffer. Deshalb war ich schneller über die Leichen von zehntausenden Wesen hinweg, die in meiner Lotterie die Nieten gezogen haben.
Wolf, bist du irgendwo dort draußen?
Du warst das Große Los. Ich wusste es im selben Moment, als ich dich zum ersten Mal außerhalb des Inkubators sah. Wie das? Ich kann es nicht sagen, immer noch nicht. Ich spürte es einfach. Vielleicht greift Gott ein, wenn man nur lange genug würfelt. (Oder vielleicht beginnt ein sterbender Atheist wie ich, an Humbug zu glauben, wenn seine Hirneiweiße ausflocken?) Wie auch immer, ich wusste, du würdest überleben. An jedem Ort, zu jeder Zeit, jede Widrigkeit. Deshalb habe ich oft an deinem Käfig Halt gemacht und habe dir vorgelesen. Nicht, um dich zu lehren - es gab nichts, was ich dir hätte beibringen können -, sondern, um von deiner Präsenz zu kosten.
Wolf, hörst du mich?
Es hat mich nicht überrascht, dass du dem orthodoxen Mob entschlüpft bist, der das Labor gestürmt hat. Eine Handvoll meiner Kinder hat es geschafft. Ich habe euren Weg aus der Entfernung verfolgt. Du warst der Einzige, der überlebt hat. Die anderen wurden früher oder später zur Strecke gebracht, von Menschen, die sie zu sehr hassten oder zu sehr verehrten. Manche beendeten ihr Leben aus eigenem Antrieb, als sie erkannten, dass sie für diese Welt nicht geschaffen waren. Nur du gingst unbeirrt deinen Weg, von Käfig zu Käfig, von Flucht zu Flucht. Bis du nach Europa kamst, nach Deutschland - und verschwunden warst.
Wolf, wo bist du?
Die Vernunft spricht dafür, dass du tot bist. Erschlagen von ängstlichen, hasserfüllten Menschen. Es gibt Milliarden von ihnen und nur einen Wolf. Aber das kann und will ich nicht glauben. Ich muss nur die Augen schließen, um zu spüren, dass du am Leben bist. Du magst nicht für diese Welt geschaffen sein, aber im Gegensatz zu meinen übrigen Schöpfungen bist du in der Lage, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Bitte, Wolf, lebe!
Lebe, damit mein Leben nicht umsonst war.
- Handschriftlicher Text, gefunden am 12. November 2063 auf dem Schreibtisch des Gen-Forschers Hayim Perlmann. Perlmann selbst wurde tot neben dem Schreibtisch gefunden. Der Tod trat durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe ein. Die Regierung des Freistaats Singapur wies Stimmen zurück, die von einem Selbstmord sprachen. Am 23. November 2063 gestanden vier Anhänger einer kreationistischen Sekte öffentlich den Mord an Perlmann. Sie wurden hingerichtet. Quelle: AlienNet, Projekt »Not at all an Alien Earth« Stand: Mai 2066
KAPITEL 36
Es war der Morgen des
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