Alien Earth - Phase 3
was ist das Gute, das diese Leute gemacht haben?«
»Gute Kühe. Wie Alice.« Es war das erste Mal, dass er über die Kuh nicht schimpfte.
»Wo?«
David zeigte in das Tal, auf die Gewächshäuser hinter dem Stacheldraht. »Dort.«
»Haben die Leute noch andere Tiere als Kühe gemacht?«
»Kann sein. Wir hören manchmal Schreie.«
»Was für Schreie?« Ekin hatte bislang keine gehört. Sie schlief meistens wie eine Tote.
»Mal so, mal so. Wie wenn Wölfe heulen, manchmal. Du wirst sie auch hören, wenn du bei uns bleibst.«
»Macht dir das keine Angst?«
»Nein. Die fremden Leute sind weg. Der Gute Herr hat gesagt, dass sie jetzt woanders Gutes tun. Er sorgt für uns, auch wenn er manchmal wütend ist, weil er jetzt beinahe allein ist. Er sagt uns, was wir wissen müssen.«
Bist du nicht neugierig?, wollte Ekin fragen, aber sie ließ es sein. Neugier war keine Kategorie, die in Davids Welt existierte. Stattdessen fragte sie: »Willst du nicht beim Guten helfen?«
»Wieso?«
»Die fremden Leute sind weg, sagst du. Der Gute Herr könnte deine Hilfe benötigen, du könntest vielleicht noch mehr Gutes tun.«
David sah sie an, als wäre sie nicht klar bei Verstand. »Ich tue hier das Guteste, das ich kann.«
Darauf gab es wenig zu sagen. »Ja, das ist wohl so«, flüsterte Ekin.
Unbehagliche Stille kehrte ein. David wandte den Kopf wieder zum Tal, aber sein Blick war abwesend, beinahe so, als dächte er nach. Die Erfahrung schien ihm nicht geheuer. Er wuchtete sich hoch: »Machen wir weiter! Wir dürfen nicht trödeln. Der Gute Herr mag es nicht, wenn man trödelt.«
Den Rest des Tages pflügte David wie ein Verrückter, ohne dass er sich selbst oder Alice oder Ekin eine Pause gegönnt hätte. Ob ihre Berührung oder ihre Fragen ihn umtrieben, konnte Ekin nicht sagen. Sie wusste nur, dass David so aufgeregt war, dass er immer wieder vom Pflug abrutschte.
Am Abend ließ David sie ohne einen Gruß stehen und ging zu der Scheune, in der die Dummköpfe hausten. Ekin wankte mit letzter Kraft zur Biogasanlage, die das Haupthaus mit Strom und Wärme versorgte, kippte die Kuhscheiße in den Einfüllstutzen, wusch die Tasche aus. In ihrer Kammer angekommen, fiel sie ins Bett und schlief ein, ohne geduscht oder gegessen zu haben. Morgen, war ihr letzter Gedanke. Morgen, wenn sie ausgeschlafen war, würde sie einordnen können,
was sie aus David herausbekommen hatte. Morgen würde sie entscheiden. Aber erst musste sie schlafen.
Als sie aufwachte, war es noch dunkel. Durch das schmale Fenster ihrer Kammer drangen grelles Licht und aufgeregtes Geschrei. Ekin rannte die Treppe hinunter und hinaus. Drau ßen standen die Dummköpfe, alle dreißig von ihnen. Sie hatten die Köpfe in den Nacken gelegt und schrien immer wieder: »Der Himmel, er brennt! Der Himmel brennt!« In ihrer Angst waren sie zum Haupthaus gerannt, damit der Gute Herr sie beruhigte, ihnen sagte, dass alles gut war. Aber Carmel war nirgends zu sehen.
David löste sich aus der Menge, die dicht beieinanderstand, wie eine Schutz suchende Herde. »Was ist das?«, fragte er Ekin.
Ekin wusste die Antwort. Die Erde war nicht mehr der Ort, den sie vor über einem Jahr hinter sich gelassen hatte. Sie gehörte nicht mehr den Menschen, genauso wenig wie ihre direkte Nachbarschaft. Im Orbit gab es nur noch die Satelliten, die die Seelenspringer duldeten, Zehntausende von Seelenspringerschiffen, die ihren neuen Besitz verteidigten - und zahllose Trümmer, die Überreste der Schlacht, die Seelenspringer und Seelenbewahrer ausgefochten hatten. Nach und nach stürzten nun die Trümmer auf die Erde. Als handele es sich um Sternschnuppen, zogen sie an klaren Nächten ihre Bahnen über den Himmel. Jetzt trat ein ganzer Schwarm über dem Osten Nordamerikas in die Atmosphäre ein, vertrieb die Nacht mit seinen Gluten.
Ekin huschte zu David. Er blinzelte aufgeregt, sah Ekin an, als könne sie die Rettung für ihn bringen. Er tat ihr leid. David und die übrigen Dummköpfe konnten nicht verstehen, was am Himmel geschah. Sie ging zu ihm, umfasste eine seiner Schaufelhände sanft mit ihren Kinderhänden. Er ließ es geschehen.
»Nichts, David«, flüsterte sie. »Es ist nichts. Ihr braucht keine Angst zu haben. Sieh nur, es ist bloß ein schönes Feuerwerk.«
Sie wandte sich ab und rannte los, den Stacheldraht entlang in die Nacht. Ekin erhaschte einen letzten Blick auf den Dummkopf, bevor ihr eine Biegung des Stacheldrahts die Sicht nahm. David stand da, den Kopf tief
Weitere Kostenlose Bücher