Alien Earth - Phase 3
zurückgab. Ekin stellte zu ihrer Überraschung fest, dass sie die unbeholfene Annäherung genoss, während das Mädchen in ihr am liebsten davongerannt wäre, um sich zu verstecken. Was war nur los mit ihr? Was machte Blitz solche Angst? Es war nur ein unschuldiger Flirt, der nirgendwohin führen würde.
Ekin zog ihr Taschentuch aus der Hose. Es war fleckig und stank nach Kuhscheiße, aber das tat in New Providence sowieso alles, und David würde es nicht stören.
»Halt still!«, sagte sie. »Du hast dich verschmiert.« Es stimmte. David hatte binnen kurzem ein halbes Dutzend Äpfel in sich hineingestopft, und jetzt rann ihm Saft aus dem Mund und verklebte seinen Bart. Ekin wischte sanft darüber. David zögerte, dann ließ er sie machen und sah sie dabei aus großen, staunenden Augen an, als könne er nicht glauben, was ihm eben widerfuhr.
»Schön, nicht?«
Ekin blieb eine Handbreit von David entfernt im Gras sitzen und zeigte auf das Tal unter ihnen. Es gab nicht viel zu sehen. Das Haupthaus, daneben die rostenden Wohncontainer, die in ihrer Unordnung an eine Müllkippe erinnerten, die Gewächshäuser mit ihren verfärbten Scheiben und im direkten Anschluss daran die Wiese, die sich bis zum Horizont erstreckte. Einmal hatte Ekin David gefragt, wieso sie hier am Hang pflügten anstatt unten im Tal. David hatte ihr mit dem stieren Blick geantwortet, mit dem er allem begegnete, was außerhalb seiner Vorstellung lag. Carmel, stellte sich heraus, hatte den Dummköpfen vor einigen Monaten verboten, den Talgrund zu betreten. Seitdem gab es dort die Wiese, die in der Mittagssonne flimmerte, als bestünde sie aus Asphalt, auf den die Sonne brannte.
David nickte ergriffen. »Schön, ja.« Für ihn gab es keinen schöneren Anblick. New Providence war sein Zuhause, der einzige Ort, der ihm etwas bedeutete. Und damit konnte Ekin ihn, der ohnehin durch ihre Anwesenheit durcheinander war, vielleicht packen.
»War New Providence schon immer so groß?«, fragte Ekin.
Der Junge schwieg lange, bevor er antwortete. Als müsse er erst sein Gedächtnis durchforsten, das Gesuchte verarbeiten und in Worte kleiden. »Nein. Als ich klein war, gab es nur das Haus und ein paar Scheunen. Der Gute Herr war allein mit uns.«
Der »Gute Herr« war Carmel. David nannte ihn niemals beim Namen.
»War das eine schöne Zeit?«
David nickte eifrig. »Ja, der Gute Herr hatte immer Zeit für uns. Er hat viel gelacht und uns noch nicht Dummköpfe genannt.«
»Aber das wurde anders?«
»Ja.« Es war ein trauriges Ja.
»Wie das?«
»Es kamen andere Leute.«
»Die Wächter mit den Gewehren und den Geländewagen.«
»Auch. Aber erst später.«
»Und am Anfang?«
»Kamen andere Leute. Ohne Gewehre. Sie haben mir viel Angst gemacht.«
»Wieso?«
»Manchmal war ich auf dem Feld, wenn sie kamen. Dann haben sie mich nach dem Guten Herrn gefragt. Der Gute Herr hat sie dann zu sich in das Haus eingeladen. Wenn sie bis zum Abend nicht wieder herausgekommen waren, wussten wir, dass sie bleiben würden.«
»Du warst eifersüchtig?«
»W… was ist das?
»Du hattest Angst, dass sie dir deinen Guten Herrn wegnehmen?«
»Auch.«
»Und außerdem?«
»Die neuen Leute waren nicht gut zu uns. Der Gute Herr hat immer Zeit für uns gehabt. Die neuen Leute haben uns nicht angesehen. Aber manchmal haben sie uns Sachen gesagt,
die wir nicht verstanden haben. Dann haben sie gelacht, und manchmal haben sie uns dann geschlagen.«
»Das war nicht nett.«
David schüttelte den Kopf. »Sie waren böse.« Der Junge hatte Tränen in den Augen, als er es sagte.
Ekin legte eine Hand in seinen behaarten Nacken. Es war eine tröstende Geste, unschuldig, und das verschreckte Mädchen in Ekin und der Dummkopf verstanden sie als solche: Sie wehrten sich nicht.
»Wo sind diese Leute jetzt?«, fragte Ekin.
»Weg.«
»Wohin?«
»Die Erde hat sie verschluckt.«
»Was meinst du damit?«
»Ich … ich …« Der Junge rang um Worte.
Ekin half ihm aus. »Sie waren plötzlich weg?«
»Ja.« Der Junge nickte erleichtert. »Ja.«
»Und was haben diese Leute hier getan?«
»Gutes.«
»Die bösen Leute? Wie kann das sein?«
»Der Gute Herr hat es uns gesagt. Als immer mehr fremde Leute gekommen sind, hat er uns zusammengerufen und hat uns gesagt, dass wir keine Angst vor ihnen haben müssen. Dass es gute Leute sind, auch wenn sie manchmal nicht wissen, wie man sich benimmt. Dass sie ihm helfen, gute Dinge zu tun. Und dass wir ihnen deshalb helfen sollen.«
»Und
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