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Alien Earth - Phase 3

Titel: Alien Earth - Phase 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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Für Wilbur hatte sich das als ein Segen erwiesen. Bislang. In den letzten Wochen hatte es mehr als einen Augenblick gegeben, in dem Wilbur eine nicht wiedergutzumachende Dummheit mit einem Gewehr begangen hätte. Es war nicht leicht, alleine hoch über der Erde zu schweben und gleichzeitig untrennbar mit zehn Milliarden Menschen verbunden zu sein.
    Es zischte, als sich die Kammer der Schleuse mit Luft füllte. Wilbur wog den Schraubenschlüssel in der Hand. In der Schwerelosigkeit besaß er eine unpassende Leichtigkeit, und nur die Trägheit, die er Wilburs Muskeln entgegensetzte, belegte, dass es sich bei dem Werkzeug um eine reelle Waffe handeln mochte.
    Das Zischen hörte auf. Die Schleuse war mit Luft gefüllt, die innere Tür glitt zur Seite.
    Rudi, der Junge, schwebte in der Kammer.
    Er warf die Arme hoch, um Wilbur zu begrüßen. »Wilbur, alter Knabe! Ich …«

    Weiter kam er nicht. Wilbur drückte sich mit aller Kraft von dem Haltegriff weg und schoss auf Rudi zu. Innerhalb eines Augenblicks hatte er ihn überwältigt. Rudi war halb so alt wie Wilbur und mit Sicherheit doppelt so stark, aber ihm fehlte die wochenlange Erfahrung im Umgang mit der Schwerelosigkeit, die der ehemalige Bordingenieur der Strawberry Bitch mitbrachte.
    »Sag mir einen Grund, wieso ich dir nicht auf der Stelle die Kehle zerquetschen soll!«, brüllte Wilbur.
    »Was ist los mit dir? Wieso tust du das?«, röchelte Rudi. Der Schraubenschlüssel drückte gegen seinen Hals, schnitt ihm den Atem ab. »Ich bin es doch nur, Rudi, dein alter Kamerad!«
    »Möglich. Oder vielleicht ein Seelenspringer, der in seinem Körper steckt?«
    »Nein! Wilbur, nein! Ich bin es! Ich bin ich!«
    Der Junge sagte die Wahrheit, Wilbur spürte es. Aber was bedeutete das schon? Rudi war mithilfe der Seelenspringer in den Orbit gekommen. Das allein war Beleg genug, dass er jetzt zu ihnen gehörte. »Und wenn schon!«, stieß Wilbur hervor. Er zwang sich, die Worte zu zischen, damit sein Mitleid mit dem Jungen seiner Wut nicht den Boden unter den Füßen wegzog. »Du bist Pasongs bester Kumpel, nicht wahr? Es gibt keinen Fleck auf dieser Erde, an dem du dich nicht mit ihm herumgetrieben hättest, um Aufruhr zu schüren!«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es, das genügt.« Wilbur hatte viel Zeit gehabt, seine neuen digitalen Sinne zu benutzen. Und egal, wohin er geblickt hatte, überall war er auf den kleinen, dürren Schwarzen gestoßen - und an seiner Seite unweigerlich auf den jungen Mann mit dem Kindergesicht und dem Stiernacken.
    »Das hat nichts zu sagen, Wilbur! Pasong hat mir keine Wahl gelassen!«
    »Tatsächlich? Du hast nicht sehr gequält ausgesehen.« Es war eine Lüge. Auf den Aufnahmen, die Wilbur gesehen hatte, war Rudis Gesicht wie versteinert gewesen. Wilbur kannte
den Jungen gut genug, um erahnen zu können, wie es in seinem Innern ausgesehen haben musste.
    Rudi röchelte und hustete. Ihm ging die Luft aus. Er wand sich verzweifelt, aber ohne Aussichten. Wilbur hatte ihn im Griff. Es lag in seiner Hand, das Leben des Jungen zu beenden. So, wie es in seiner Hand lag, das Leben auf der Erde zu beenden.
    »Wilbur, bitte! Tu es nicht!«
    Rudi flüsterte. Es war das letzte Aufbäumen. Das wilde Herumschlagen ging in ein kraftloses Flattern der Glieder über. Wenige Augenblicke noch …
    … und Wilbur würde wieder allein sein. Allein auf der Superhero , in seinen Händen das Schicksal der Erde. Allein mit seiner Schuld. Allein mit sich selbst, dem Mörder.
    Wilburs Wut verschwand übergangslos, als hätte es sie nie gegeben.
    Was tue ich da?
    Er gab den Jungen frei. Rudi wurde vom Schwung seiner Bewegungen in das Innere der Superhero getragen. Er krümmte sich zusammen, überschlug sich wie in Zeitlupe. Dann hustete er, übergab sich. Erbrochenes verteilte sich in langen, klebrigen Streifen in der Superhero .
    Was habe ich da getan?
    Wilbur suchte Halt an der Bordwand, ertastete einen Haltegriff. Er stieß sich ab und schoss ein zweites Mal auf den Jungen zu. Er langte nach ihm, hielt ihn in seinen Armen fest, immer fester, bis er sich an ihn klammerte. Wilburs Blick trübte sich. Er weinte.
    »Es ist gut«, flüsterte er. »Ich tue dir nichts. Hörst du, Junge? Es ist schon gut.«
    Wie konnte ich nur?
     
    Eine Stunde später hatte Wilbur sich wieder gefangen. Er und Rudi saßen - festgeschnallt - in den Sitzen des Piloten und Copiloten. Unter ihnen schwebte die Erde, in eine gnädige Nacht gehüllt, die all die Staubwolken

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