Alien Earth - Phase 3
Dummköpfe geht schwer. Von Zeit zu Zeit wird er vom Stöhnen der beiden Verletzten übertönt. David ist ein erstaunlich kluger Führer für einen Dummkopf. Er sieht zu, dass sie die meiste Zeit in der Deckung der Wälder bleiben. Müssen sie einen Weg oder eine Straße überqueren, gibt er ihnen ein Zeichen anzuhalten und geht voraus. Er kann es sich erlauben. Er ist ein Dummkopf. Sollte er jemandem
begegnen, stellt er sich einfach dumm, und niemand wird sich die Mühe machen, ihm etwas anzutun.
Pasong genießt die Stille der Wälder. Es tut unendlich gut, einfach nur auf seinen vielen jungen Pfoten auf dem weichen Boden dahinzuhüpfen. Er hat viel zu lange viel zu viel geredet, zu viel angeführt, sich zu viel mit dem Leben anderer beschäftigt als mit dem eigenen. Ist einer von Pasongs Körpern erschöpft, und das geschieht oft, denn sie sind noch keinen Monat alt, heult er kläglich. Dann kommt ein Dummkopf und hebt das Wolfsjunge auf seinen Rucksack. Pasong rutscht dann ganz nach vorne, schmiegt sich an den starken Nacken des Dummkopfs und genießt die Wärme.
Sie halten an, als eine weitere Sternschnuppe über den Himmel zieht. Alle sehen nach oben, selbst die Dummköpfe, die sich sonst für wenig interessieren, was über Essen und Trinken, einen Schlafplatz und den Weg, der unmittelbar vor ihnen liegt, hinausgeht. Die Reibungshitze lässt die Sternschnuppe so grell glühen, dass sie die Sonne überstrahlt. Trotzdem sieht keiner weg. Auch nicht bei dieser hier, der zehnten oder elften, seit sie aufgebrochen sind. Es ist Ehrfurcht, die sie hinaufblicken lässt. Ehrfurcht und Angst. Ersteres ist berechtigt, Letzteres nicht.
Es ist weder ein gewöhnlicher Meteorit, der über ihnen dem Erdboden entgegenfällt, noch ist es eines der zahlreichen Trümmerstücke aus dem Orbit. Über ihnen rast ein Patronenschiff seinem Ziel entgegen, einem in den Rocky Mountains verborgenen Atomraketenbunker. Es ist ein Nachzügler. Zwei Körper ruhen, in Stasis gehüllt, in seinem Rumpf. Zwei Splitter von Pasongs Seele, ursprünglich dazu bestimmt, die Abgründe zwischen den Sternen zu überbrücken und eine neue Welt aufzutun.
Ein Mensch hat das Schiff auf den Kurs gebracht, der in seiner Vernichtung enden wird. Sein Name ist Wilbur. Er war einer der fünf Menschen, die nach dem ersten Seelentransfer die Insel erreicht hatten, die die Menschheit als »Alien-Insel« bezeichnen sollten. Wilbur war auf der Insel geblieben, verschanzt
in das Flugzeug, in das er so vernarrt war, dass es ihm mehr zu bedeuten schien als jeder Mensch. Pasong hatte sich zu Wilbur, dem störrischen Einzelgänger, dem Eigenbrötler hingezogen gefühlt. Er hatte Zeit mit Wilbur verbracht, hatte den Menschen kennengelernt und schließlich erfahren, dass Wilbur und seine Kameraden einen Plan schmiedeten.
Pasong hatte sie gewähren lassen, hatte es Wilbur gestattet, zum mächtigsten Menschen aufzusteigen, den es je gegeben hat.
Pasong hat Wilbur verstanden. Er hat gewusst, dass Wilbur auf sein Ultimatum nicht anders als mit Trotz würde reagieren können. Und ist der Trotz eines Menschen geweckt, der Macht in einem Maße wie Wilbur besitzt, bleibt er nicht ohne Folgen.
Das glühende Schiff verschwindet hinter dem Horizont, um sich in den Rocky Mountains in einen Berghang zu bohren. Pasongs Begleiter atmen auf. Sie haben wieder überlebt. Pasong weiß, dass keine Gefahr bestand. Es gibt nirgends in der Nähe von New Providence ein Ziel, das Wilburs Aufmerksamkeit verdient hätte. Und für den Fall, dass Wilbur sich irrt, sorgt ein zweiter Geist dafür, dass ihnen nichts geschieht: Marita. Pasong hat sie zur Wächterin dessen gemacht, was von der Erde übrig bleiben wird. Pasong weiß, dass sie eine gute Wächterin sein wird. Marita besitzt beides, was sie für ihre Aufgabe benötigt: Härte und Hingabe.
Sie setzen ihren Marsch fort. Die Wolfsjungen halten auch ohne Pasongs aktives Mitwirken Schritt. Sich zu bewegen, herumzutollen, Zuflucht bei Stärkeren zu suchen, ist ein Drang, der in ihnen steckt.
Pasong lauscht in sich hinein, als die Welt, wie sie die Menschen kennen, zu Ende geht. Pasong spürt die Angst der Menschen überall auf der Erde. Sie ist ein Eindruck, so stark und unverwechselbar wie der Angstschweiß, der über den Marschierenden liegt und den seine empfindlichen Wolfsnasen erschnüffeln. Es gibt keine Handvoll Menschen auf der Erde, die verstehen, wie ihnen geschieht. Es gibt nur Milliarden,
die irgendeinen Ausweg aus diesem Leben
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