Alien Earth - Phase 3
die Nase. Erbrochenes klebte daran. Es war schwarz wie Pech. »Das ist keine gewöhnliche Kotze. Das ist Blut! Sag mir gefälligst, was mit dir los ist!«
Diane holte tief Luft. Sie schmeckte nach Erbrochenem und Blut.
»Was ist mit dir, Diane?«, wiederholte Atsatun.
Es hatte keinen Sinn, erkannte Diane. Es hatte keinen Sinn, das Mädchen zu belügen. Keinen Sinn, sich selbst zu belügen.
»Ich habe Magenkrebs«, sagte sie. »Er frisst mich von innen auf. Das ist alles.«
»Das ist Wahnsinn! Was tust du dann hier? Du gehörst in ein Krankenhaus!«
»Dazu ist es schon längst zu spät. Der Krebs hat sich über die Lymphknoten im ganzen Körper verbreitet. Selbst wenn man mir den Magen herausoperiert hätte, gäbe es keine Aussichten. In ein paar Wochen ist es vorüber.«
Atsatun sagte lange nichts. Ihr Griff wurde sanfter. »Es tut mir leid, Diane«, flüsterte sie schließlich. »Ich wusste nicht, dass …«
»Es ist, wie es ist. Es geht zu Ende mit mir.« Diane wunderte sich, wie leicht ihr die Feststellung fiel. Wie anziehend der Gedanke war, beinahe wie eine Erlösung. »Aber vorher will ich Melvin wiedersehen.«
Tränen liefen über Atsatuns Wangen. Diane zog das Mädchen an sich, hielt es fest. Oder hielt sie sich an Atsatun fest? Der Kokon war erloschen, dennoch gingen sie nicht unter. Dianes Alien-Anzug musste sie an Ort und Stelle halten. »Weine nicht. Es gibt keinen Grund dazu. Wir alle müssen sterben, irgendwann.«
Das Mädchen bäumte sich auf, als wolle es das nicht wahrhaben. »Was ist mit den Aliens? Sie bauen Raumschiffe, ihre Seelen springen von Körper zu Körper, wenn es stimmt, was die Regierung sagt. Sie bauen Kokons und diese Anzüge. Sie haben dir diesen Anzug gegeben. Wieso haben sie deinen Krebs nicht einfach weggemacht?«
»Weil sie es nicht konnten. Unsere Biologie ist ihnen fremd. Es wird Jahre brauchen, ihr Wissen auf die irdischen Verhältnisse umzumünzen. Wenn es überhaupt je gelingen sollte. Sie sind Aliens, keine Götter. Sie haben für mich getan, was sie konnten. Glaube mir.«
Atsatun bäumte sich wieder auf. »Das glaube ich nicht. Sie schenken dir diesen Anzug und lassen dich ziehen, damit du hier draußen ganz alleine verreckst? Das kann nicht sein!«
Und so war es auch nicht. Pasong hatte sie nicht einfach so ziehen lassen. Dianes Rechte ließ das Mädchen los, tastete sich zu der Tasche an ihrem Oberschenkel vor, öffnete sie. Dann hielt sie die Pillenschachtel hoch.
»Was ist das?«, fragte Atsatun.
»Das, was die Seelenspringer für mich übrig hatten«, antwortete Diane.
»Willkommen bei Radio DDT - Daily Death Toll -, alias ›Ihr Soundtrack zum finalen Abgang‹, alias ›Schön, dass es Sie (und uns) noch gibt!‹
Nun zum Index. Der DDT-IX eröffnete heute schwach. Den originellsten Abgang in der Einzelwertung konnte der israelische Selbstmordattentäter Eli Wiesenbaum für sich verbuchen. Wiesenbaum scheiterte beim Versuch, den Felsendom in Jerusalem zu sprengen. Von einer aufmerksamen Bürgerwehr in der Innenstadt aufgegriffen, wurde er mit Benzin übergossen und als Alien-Teufel bei lebendigem Leib verbrannt. Bei der Explosion seines Sprengstoffgürtels kamen die gesamte Bürgerwehr sowie diverse Schaulustige ums Leben. Wiesenbaum hinterließ einen Krater, der eines Alien-Trümmerstücks würdig wäre. Deshalb unser Hinweis: Auf der Ben Yehuda muss bis auf Weiteres mit schweren Behinderungen für Shopper gerechnet werden. Möglich aber auch, dass es dort die Ultra-Schnäppchen gibt (minimal durch Scherben, Granatsplitter oder Blutflecken beschädigt) - überzeugen Sie sich selbst!
Die Kämpfe an den üblichen Hotspots gingen derweil ihren gewohnten Gang: Die Einwohner von Las Vegas halten bereits den vierzehnten Tag gegen die Übermacht der Gotteskrieger aus, die ehemalige Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea war erneut der Schauplatz von Scharmützeln, in Südspanien kommt es weiter zu Gefechten und Lynchaktionen zwischen Neo-Francisten, Ex-Kommunisten, illegalen Einwanderern und einem Dutzend weiterer Gruppierungen. Einen Überblick finden Sie wie üblich auf unserer in Realzeit aktualisierten politischen Welt(untergangs)karte.
Über lange Stunden hinweg schien es, als verweile der DDT-IX in einer stabilen Seitwärtsbewegung, als sich das Blatt in den letzten Stunden des Tages dramatisch wendete und den Index in neue, ungeahnte Höhen trieb.
Dazu trugen zwei Entwicklungen bei: eine nukleare Explosion, die die
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