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Alien Earth - Phase 3

Titel: Alien Earth - Phase 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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später, unendlich enttäuscht. Pinero kam mit leeren Händen. Wie, zum Teufel, wollte er 59b retten?
    »Was ist passiert?«, fragte Pinero und ging neben Melvin in die Knie.
    »Er ist zusammengebrochen.«
    »Wann?« Der Arzt zog einen Spiegel aus der Tasche. Es war eine Scherbe, die aus einem der vielen Wracks stammen musste, die Feuerland ausmachten.
    »Vor ungefähr einer Viertelstunde.«
    Pinero hielt den Spiegel vor die Schnauze des Smarties.
    Was tat er nur? Melvin hätte den Arzt am liebsten an den Schultern gepackt und ihn angeschrien, er solle gefälligst endlich etwas unternehmen, um 59b zu retten.
    Pinero steckte den Spiegel zurück in die Tasche. »Kein Atem«, flüsterte er. Er stand auf und ging zu einem der Arme des Smarties. Er war so dick wie der Oberschenkel eines Menschen und lag so schlaff, als wäre der Knochen zu Brei geworden. Eric packte ihn mit beiden Händen und legte ihn so hin, dass die Handfläche des Smarties nach oben zeigte. Sah
man von der Größe ab, wirkte die Hand wie die eines Menschen. Melvin fragte sich, wieso ihm das jetzt erst auffiel.
    Pinero presste Zeige- und Mittelfinger an die Stelle des Handgelenks, an der die Pulsader verlaufen musste. Der Arzt zählte lautlos bis zehn, dann schüttelte er den Kopf. »Kein Puls.«
    Melvin hatte gewusst, was der Arzt sagen würde, aber er wollte es nicht wahrhaben. »Was soll das heißen?«
    »Er ist tot.«
    Melvin schüttelte den Kopf. »Nein! Eric, das darf nicht sein!«
    Melvin musste sich beherrschen, den Arzt nicht an den Handgelenken zu packen und zu schütteln. Er ertrug den Anblick nicht. 59b lag wie ein gestrandeter Wal auf dem Boden. Seine Haut hatte den schweißnassen Glanz wieder eingebüßt. An ihre Stelle war eine blutleere Bleichheit getreten. Adern waren in den Augen des Smarties geplatzt, hatten sie rot verfärbt.
    59b wirkte auf einmal so hilflos. Melvin war, als sähe er den wirklichen 59b. Der Smartie war kein zorniger Krieger, kein Mörder, kein Superlebewesen, dem nichts und niemand etwas anhaben konnte. Nein, 59b war verletzlich. Ein Kind, das man an die Hand nehmen musste, sollte es sich nicht verlieren. Wie alt war 59b eigentlich? Melvin schätzte ihn auf vier, vielleicht fünf Jahre. Länger hatte kein Smartie die Sklavenarbeit am Hydrate Ridge überstanden, Melvin wusste es aus Pineros Aufzeichnungen. Und die Zeit davor zählte nicht. Die Smarties mussten in Brutlabors so schnell wie möglich herangezüchtet werden. Es mochten ein paar Wochen gewesen sein. Was wusste ein solches Wesen von der Welt? Von richtig und falsch? Davon, wem man vertrauen konnte und wem nicht? Wie lange konnte ein solches Wesen bestehen ohne die Hilfe eines Vaters?
    In diesem Augenblick erkannte Melvin, wieso 59b ihn nicht in Ruhe gelassen hatte. Der Smartie suchte Führung. Er brauchte jemanden, der ihn und seine Artgenossen durch
diese grausame Welt führte, in die eine Handvoll gedankenloser Bio-Wissenschaftler sie geworfen hatte. Die Smarties brauchten ihn, genau, wie Eric es ihm gesagt hatte. Ohne ihn waren sie verloren. Er, Melvin, war nicht ihr Maskottchen. Er war ihr Hirte. Wie hatte er es nur vergessen können? Wie hatte er nur erwägen können, wegzurennen und die Smarties ihrem Schicksal zu überlassen?
    Der Arzt erhob sich von dem Leib und drehte sich zu den Smarties, die einen Halbkreis von Riesen um sie gebildet hatten. Sie trugen noch ihre Waffen. Trophäen hingen an ihnen, ihre bemalten Gesichter waren Fratzen. Doch ihnen haftete nichts Bedrohliches mehr an. Sie wirkten nicht wie die furchtbarsten Krieger, die die Erde je gesehen hatte, sondern wie ein Haufen verängstigter Kinder in Kostümen, deren Geburtstagsparty eben abrupt geendet hatte: Eines der Kinder war tot umgefallen.
    »Ihr beiden!« Pinero zeigte auf zwei der Smarties in der ersten Reihe. »Dreht ihn auf den Rücken!«
    Die Smarties lösten sich aus dem Pulk und taten, was der Arzt ihnen aufgetragen hatte. Pinero wandte sich an Melvin. »Los! Das hier bekommen wir entweder zusammen hin oder überhaupt nicht.« Der Arzt kletterte 59b auf die Brust und blieb aufrecht stehen, wie ein Bergsteiger, der einen Gipfel erklommen hat. Melvin folgte ihm zögernd. Hatte Pinero jetzt völlig den Verstand verloren?
    »Mach schon!«, herrschte der Arzt ihn an. »Stell dich zu mir! Näher! Los doch!« Er roch nach Schweiß und Schnaps. Woher hatte er ihn bekommen? Der Arzt gab Melvin keine Gelegenheit, danach zu fragen. »Und jetzt leg deine Arme um mich!«, befahl er.

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