Alien Tango
gewesen, ihn zu bitten, mich hier zu retten. Aber er würde es tun, wenn
ich ihn anrief, nicht nur, weil er mein Freund war, sondern auch, weil ich ihm
absolut nichts vormachen konnte und er sofort wissen würde, wie durcheinander
ich war. Und dann würde ihn nichts mehr fernhalten. Aber ein Nervenzusammenbruch
mit Chuckie wäre irgendwie auch nicht besser als ein Nervenzusammenbruch mit
Amy und Sheila. Ich wäre für immer der Klassenloser.
Ich ging unter die Dusche und versuchte, mir nicht auszumalen, wie
toll man hier Sex haben könnte. Nie wieder würde ich das erleben. Sex natürlich
schon – jedenfalls hoffte ich, dass ich nicht als Nonne enden würde –, aber ich
würde es nie wieder in der Dusche tun. Ich müsste die ganze Zeit nur an Martini
denken.
Während ich mich abrubbelte, wurde mir dann natürlich klar, dass es
viel zu viele Orte gab, die mich an Sex mit Martini erinnern würden. Eigentlich
ungefähr alle. Ich zwang meine Gedanken in eine andere Richtung und überlegte,
wer wohl heute Abend alles da sein würde.
Während ich mich anzog, wurde mir klar, dass wahrscheinlich niemand
dabei war, den ich mochte. Inzwischen war es nicht mehr sicher, ob Brian kam,
und das bedeutete, dass ich nicht nur allein, sondern auch allein auf
feindlichem Territorium war. Ich hatte auf der Highschool zwar mehr Freunde
gehabt als Chuckie, aber uns beiden hatte die Collegezeit um Längen besser
gefallen.
Ich durchwühlte meine Handtasche. Ich hatte ein kleines
Abendtäschchen mitgebracht, immerhin war das hier ein formeller Anlass. Ich
warf meinen Zimmerschlüssel, mein Handy, den Führerschein und etwas Bargeld
hinein. Ich überlegte, ob ich noch meinen iPod mitnehmen sollte, entschied dann
aber, dass ich damit die Flinte zu früh ins Korn werfen würde. Mein Blick fiel
auf die Glock, und plötzlich verstand ich, warum sich so viele Menschen in
Hotelzimmern umbrachten. Ich warf die Glock zurück in meine Tasche.
Es folgte ein Blick in den Spiegel. Ich trug ein hautenges,
ärmelloses schwarzes Kleid, das vorne und hinten tief ausgeschnitten war. Um
die Hüften saß es eng, auf der rechten Seite verlief ein Schlitz bis zum Knie.
Dazu trug ich hohe schwarze Riemchenstilettos. Ich sah gut aus. Bis man meinen
Gesichtsausdruck bemerkte – dann sah ich aus wie ein Schluck Wasser in der
Kurve.
Ich probierte ein bisschen herum und entschied mich, die Haare hochzustecken.
Das tat ich zwar eigentlich nur sehr selten, aber ich hatte eine Menge Zeit
totzuschlagen. Wenn Martini mit mir hier gewesen wäre, dann hätte es keine
verschwendete Sekunde gegeben, und wir wären bestimmt zu spät gekommen, weil
wir zuvor jeden Winkel des Zimmers auf seine Liebestauglichkeit getestet
hätten.
Ein quälender Gedanke, also wandte ich mich lieber wieder meinen
Haaren zu. Irgendwie bekam ich sie nach oben und zupfte kunstvoll noch ein paar
Strähnchen heraus. Sah gut aus. Würde ich gern öfter mal machen, aber wann
hatte ich schon eineinhalb Stunden Zeit, um mir die Haare zu stylen?
Ich war bereit und würde wohl eine der Allerersten sein.
Fantastisch. Ich überlegte, ob ich eine Stola mitnehmen sollte, aber in Pueblo
Caliente war es auch im frühen Oktober noch ziemlich warm, und wundersamerweise
war das Hotel nicht übermäßig klimatisiert. In mir keimte der Gedanke auf, dass
ich, falls ich doch frieren sollte, einfach Martinis Jackett hätte anziehen
können, wenn er jetzt bei mir gewesen wäre. Er hatte es immer gemocht, es um
mich zu legen, wenn wir ausgegangen waren. So konnte er sich um mich kümmern
und gleichzeitig aller Welt zeigen, dass ich zu ihm gehörte.
Nur dass ihn das jetzt nicht mehr interessierte. Ich versuchte, an
irgendetwas zu denken, das mich nicht wieder bei Martini landen lassen würde.
Klappte überhaupt nicht. Ich wollte schon nach meiner Handtasche greifen,
schwenkte dann aber gerade noch rechtzeitig auf das Abendtäschchen um. Na also.
Ich war ein großes Mädchen, das mit Veränderungen umgehen konnte. Ich hängte
das »Bitte nicht stören«-Schildchen an die Tür, einerseits um Diebe
abzuschrecken, andererseits um wenigstens vorzugeben, hier drinnen würde etwas
Lustiges passieren.
Glücklicherweise war ich allein im Fahrstuhl. Während des ganzen
Wegs starrte ich in den Spiegel und übte lächeln. Normalerweise kein Problem.
Heute war die Sache nicht so leicht.
Als sich die Fahrstuhltür wieder öffnete, stand ich in der Lounge.
Ich trank keinen Alkohol mehr, da A.C. s tödlich
allergisch darauf
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