Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
Erwiderung machte sie plötzlich misstrauisch, und sie musterte ihn forschend. Das Letzte, was sie wollte, war, wieder einmal merkwürdig zu erscheinen. Ihre Augen waren schon seltsam genug. »Warum?« , fragte sie argwöhnisch. »Gibt es etwas dagegen einzuwenden, dass ich Fisch esse?«
Nutzlos schnaubte erschrocken und wandte den Blick rasch vom Himmel ab, um sie anzusehen. »Nein!« , rief er. »Iss, was du willst. Es ist nur – dieses viele Wasser.« Er schauderte sichtlich.
Alissa wollte ihn fragen, ob alle Rakus eine Abneigung gegen Wasser hegten oder nur er selbst, als sie leise Schritte hörte. Es war Strell, am anderen Ende des Hains. Doch selbst von hier aus erkannte sie, dass die Ruhe der vergangenen Nacht ihm gutgetan hatte. Dieser scheußliche Schatten schwarzer Bartstoppeln war verschwunden, und er sah so aus, wie sie ihn von ihren gemeinsamen Wochen des Reisens in Erinnerung hatte: entspannt und selbstsicher. Bailic war fort. Er konnte wieder er selbst sein. Irgendwo hatte er neue Kleidung gefunden, hervorragend geschnitten, in diesem dunkelgrünen Farbton, der ihm so gut stand. Er sah in Alissas von Liebe geblendeten Augen absolut großartig aus, und ihr stockte der Atem, als er zielstrebig durch die rieselnden weißen Blüten schritt und ihr aus der Ferne zuwinkte.
Nutzlos bemerkte ihre Reaktion und runzelte die Stirn. »Du hast nicht auf mich gehört.«
»Eure Warnung kam zu spät« , entgegnete sie leise, den Blick wie gebannt auf Strell gerichtet, während ein Lächeln in ihren Augen aufleuchtete.
»Ich sehe in dieser unseligen Verbindung nichts Gutes für die Zukunft« , fuhr Nutzlos fort.
»Das ist mir gleich« , flüsterte sie. Seine düsteren Worte fielen auf taube Ohren, und Alissa erwiderte Strells Winken vorsichtig mit der unverletzten Hand.
Nutzlos rückte trotz seiner gewaltigen Größe anmutig zur Seite, um ihr die Sicht zu versperren. »Er wird alt werden, während du in dieser Spanne kaum ein paar Jahre altern wirst.«
Alissa riss den Blick von Strell los. »Das ist mir gleich« , jammerte sie. »Gibt es denn gar keine Möglic h keit?«
»Ich kann die Gesetze der Natur nicht brechen, Kind« , sagte er sanft.
»Aber Ihr könnt sie beugen« , flehte sie.
Nutzlos fuhr leicht zusammen. »Seltsam« , murmelte er nachdenklich. »Genau das Gleiche hat Strell gestern Abend gesagt.«
»Ihr habt euch gestern Abend über uns unterhalten?« , dachte sie erschrocken. Die Vorstellung, wie dieses Gespräch vermutlich verlaufen war, erfüllte sie mit einer scheußlichen Vorahnung.
»Aber natürlich. Wir alle drei.« Nutzlos kicherte. »Es gab nicht viel anderes zu besprechen.« Dann wandte er sich Strell zu und überließ sie ihren sorgenvollen Gedanken.
»Guten Tag, Talo-Toecan«, begrüßte Strell ihren Lehrer zuerst, wie es sich gehörte, doch er wandte dabei den Blick nicht von ihr ab. »Guten Morgen, Alissa«, sagte er leise und sah ihr tief in die Augen.
Alissa schnappte nach Luft und senkte den Blick. Es war genau so, wie sie befürchtet hatte. Irgendwie hatte es nicht einmal einen einzigen Tag gedauert, bis Strell sich etwas von Lodeshs Charme abgeschaut hatte. Seine Worte waren nicht so blumig, sein Blick jedoch ebenso einladend und warm, und seine Augen drückten deutlich aus, was seine Worte ungesagt ließen.
»Hallo« , murmelte sie schüchtern in seinen Geist hinein.
Er fuhr zusammen, erschrocken über dieses Gefühl, und Nutzlos gluckste. Er lachte immer noch, als er seine menschliche Gestalt annahm, um sich mit Strell unterhalten zu können. »Daran muss man sich erst gewöhnen, nicht wahr?«, bemerkte Nutzlos, als er sich aus dem Nebel verdichtete; er meinte damit die wortlose Sprache, die zu gebrauchen Alissa nun gezwungen war.
»Ja«, brummte Strell. Dann hellte sich seine Miene auf, er wandte sich ihr zu und schenkte ihr ein breites Grinsen. »Ich bin froh, dass wir uns überhaupt unterhalten können. Wie wir das anstellen, ist mir gleich.«
Das Lächeln ihres Lehrmeisters erlosch. Er war nicht begeistert davon, dass sie und Strell einander verstehen konnten, doch sie fand, dass er zumindest versuchen sollte, es zu akzeptieren. Im Grunde hatte sich schließlich kaum etwas verändert. Solange sie in ihrer Raku-Gestalt feststeckte, würde ihre Beziehung sich wohl kaum weiterentwickeln können. Sie verzog das Gesicht, und Nutzlos räusperte sich, als habe er ihre Gedanken gehört. Alissa hegte den Verdacht, dass es ihm nur lieb war, wenn sie sich vorerst nicht
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