Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
Alissa zu. Sie wusste, dass ihr Lächeln ziemlich kläglich aussehen musste, denn er kicherte und sagte: »Ihr habt noch nie auf etwas Größerem als einer Ziege gesessen, nicht wahr?«
Alissa spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. »Nein.«
»Wir setzen Euch auf Sonnenstrahl«, sagte Hilder.
»Sonnenstrahl!«, stöhnte Lodesh verächtlich, und Hilder warf ihm einen finsteren Blick zu. Dann drehte er sich wieder zu Alissa um und legte ihr eine schwere Hand auf die Schulter. »Sonnenstrahl ist eine nette alte Dame. Ihr Schritt ist so sanft und mild wie ihr Name. Bei ihr seid Ihr sicher.«
Alissas Lächeln wurde allmählich steif, doch sie hielt daran fest. Sie hatte das scheußliche Gefühl, dass Sonnenstrahl sie nicht mögen würde.
Hilders Blick fiel auf ihre Pantoffeln, und er zog ein Paar Stiefel von einem hohen Wandbord. Lodeshs Augen weiteten sich. »Hier«, brummte Hilder und hielt ihr die Stiefel hin. »Zieht die an.« Sie fühlten sich sehr leicht an. Prächtig gearbeitet und verziert. Cremefarben.
»Sind das nicht …«, begann Lodesh.
»Haltet Eure Zunge im Zaum, Bewahrer«, knurrte Hilder. »Schließlich hat Keribdis bisher nie Gelegenheit gehabt, sie zu tragen. Und seht Ihr irgendetwas anderes, das an diese winzigen Füße passen würde?«
Lodesh schüttelte den Kopf, war aber offensichtlich beunruhigt, und Alissa schlüpfte hastig in die Stiefel, ehe jemand die Löcher in ihren Strümpfen bemerkte. Die Pantoffeln stellte sie zu den anderen auf das Wandbord.
Das unverkennbare Klappern von Hufen war zu hören, und Kally erschien mit einem braunen Pferd, das sie am Zügel führte. Kally hatte ihre eigenen Stiefel, und auch Lodesh hatte sich ein Paar von einem Gestell an der Wand geholt. Er setzte sich zwischen Kally und Coren auf einen Strohballen und zog sie an. Die Mädchen neckten ihn, und er genoss es in vollen Zügen. Sie wirkten fröhlich und zufrieden in ihrem albernen Geplänkel. Alissa wandte sich traurig ab und vermisste Strell umso mehr.
»Keine Sorge, Fräulein«, flüsterte Hilder, der ihren Kummer falsch verstanden hatte. »Lodesh hat schon viele Stunden mit vielen schönen Damen verbracht, aber er hat sich noch nie die Mühe gemacht, eine von ihnen in meinen Stall mitzubringen.«
Sie blickte überrascht auf, und er grinste, wobei er einen fehlenden Schneidezahn enthüllte. Weiteres Klapp-klopp war zu hören, diesmal langsam und faul, und ein fettes gelbes Pferd, kaum größer als ein Pony, schritt majestätisch die breite Stallgasse entlang. Das musste Sonnenstrahl sein. Sie war bereits gesattelt, und Hilder winkte Alissa zu sich heran.
»Hier.« Ein Apfel, klein und gelb, wurde ihr in die Hand gedrückt. »Gebt ihn ihr auf der flachen Hand, und sie wird für immer Eure ergebene Freundin sein.«
Alissa hatte ihre Zweifel, dass das klappen würde. Sie schluckte schwer und tat, was er ihr geraten hatte. Aber sobald sich Alissa näherte, legte das Pferd die Ohren an und wich zurück.
»Sonnenstrahl!«, bellte Hilder und versetzte dem Pferd einen leichten Klaps auf den Rumpf. »Was ist denn dir unter die Satteldecke gekrochen? Dummes Vieh«, brummte der große Mann und bedeutete Alissa, es noch einmal zu versuchen. Diesmal bleckte die »nette alte Dame« die Zähne. Alissas Knie wurden weich, und sie stieß rückwärts gegen Lodesh.
»Na, da soll mich doch …«, flüsterte Lodesh und packte Alissa an den Schultern, damit sie nicht stürzte. Dann hellte sich seine Miene auf. »Es sind die Stiefel.«
Hilder runzelte die Stirn. »Keribdis hat sie gemacht. Wahrscheinlich riechen sie zu stark nach ihr. Aber ich lasse niemanden in Pantoffeln hier herausreiten. Redal-Stan würde sich meine Leber zum Mittagessen vorsetzen lassen, wenn seine neueste Schülerin voller Blasen nach Hause kommt.«
Lodesh zuckte mit den Schultern. »Versuchen wir es mit Häppchen. Sie hat ein sanftes Temperament und wurde besser darauf konditioniert, Meister zu erdulden, als jedes andere Pferd in Eurem Stall.«
Häppchen, dachte Alissa. Das klingt nach einem netten, kleinen Pferd.
Hilder brummte. »Einen Versuch ist es wert. Sie muss auch mal raus.«
»Und sie ist viel schneller als Sonnenstrahl«, fügte Kally hinzu, womit sie sich einen finsteren Blick von Hilder einfing.
Alissa folgte Hilder die Stallgasse entlang und wich erschrocken zurück, als er vor einem riesigen grauen Pferd stehen blieb. Die Stute war anmutig und besaß einen klaren Blick und große Eleganz – und sie war das
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