Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
trocken. „Besser ein ... Flick als ein Loch!“
Für einen Augenblick sahen sich der Trencavel und Inés verdutzt an, dann lachten alle drei wie befreit. Die Spannung war gewichen.
„Ich sehe, mein Freund Villaine hat seine Sprüche bei Euch hinterlassen!“, meinte der Vizegraf belustigt.
„Ihr bezeichnet den Spielmann als Euren Freund? Das freut mich, pflegten doch die Römer zu sagen, Freunde tun mehr not, denn Wasser und Brot - was ich auch am eigenen Leib verspürt habe, im Palast von Cahors, als niemand mir half. Seid versichert, Vizegraf, und auch du, liebe Inés, dass ich Euch ewig dankbar sein werde. Ich will mich redlich bemühen, Euch allen hier in Carcassonne ein guter Freund zu werden.“
Nach diesen bewegenden Worten, die alle fast zu Tränen gerührt hatten, selbst Fabrisse, die im Hintergrund stand, verließ der Trencavel Alix` Gemach, um seine jüdischen Gäste zu begrüßen, wie er den Frauen sagte.
Ungern gestand er es sich ein, als er durch die Gänge des Palatiums eilte, dass er gerade ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten war. Er hatte nicht gewusst, dass es sich bei Alix gar nicht um Schönheit im landläufigen Sinne handelte, sondern dass diese junge Frau etwas anderes auszeichnete. Trotz der Judenkleidung und dem bis fast ins Gesicht hineingezogenen Schleier, den sie seltsamerweise noch immer nicht abgelegt hatte, war sie völlig ungebrochen vor ihm gestanden. Wie eine Königin hatte sie den Eindruck vermittelt, niemand auf Erden könne ihr etwas anhaben.
Aber wie war das möglich, wenn sie in Cahors wie eine Gefangene gehalten wurde? Verhielt es sich bei ihr vielleicht wie in einem von Villaines Liedern, in dem es um die Ehrbarkeit ging: ´ Schreite ich auch durch Schmutz, so bleibe ich doch rein vom Schmutze, wie inmitten der Dornen die Rose bleibt frei vom Stachel. Bin ich nun vom Kuppler gekauft - doch nie verletzt` ich die Keuschheit` ?
Immerhin verstand der Vizegraf von Carcassonne jetzt, was Bartomeu von Cahors getrieben hatte, ihm diese Frau abzujagen. Alix von Montpellier war etwas Besonderes.
Es klopfte. Fabrisse, die unauffällig, aber zunehmend fasziniert die Herrschaft beobachtet und dabei auf jedes Wort gelauscht hatte, während sie aufreizend langsam Gewänder und Weißwäsche gefaltet und in die Truhen geschlichtet hatte, eilte zur Tür. Mägde schleppten den Badezuber und Krüge mit heißem Wasser herein, dazu einen Berg frischer Leintücher.
Rasch trat sie hinter Alix, um ihr aus dem Gewand zu helfen.
„So nimm ihr endlich auch das schmutzige Tuch ab“, wies Inés ihre Dame an.
Alix jedoch stand wie versteinert vor dem Bottich und hielt es mit beiden Händen fest.
„Dort oben gibt es nicht viel zu waschen, liebe Schwester!“ Ihre Stimme klang wie gepresst.
„Wie meinst du das? Du wirst doch nicht mit dem Tuch auf dem Kopf baden wollen?“, sagte Inés irritiert. Fabrisse und die Bademagd, die gerade kostbares Rosenöl in das Wasser goss – ein zarter Blumenduft hing bereits im Zimmer - kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Da gab sich Alix einen Ruck. Sie streifte das Tuch ab. „Sieh nur her!“
„Oh, heilige Jungfrau von den Tischen!“ Inés schrie so laut auf, dass die Magd vor Schreck das wertvolle Glas mit Öl zu Boden fallen ließ, wo es in tausend Scherben zerbrach.
Als der Trencavel am nächsten Morgen dem Oheim anvertraute, was ihm seine erschütterte Gemahlin noch in der Nacht von Alix und ihrem Leben in Cahors erzählt hatte, sah Saïssac erneut dunkle Wolken nach Carcassonne ziehen.
„Wie? Sie bekommt ein Kind vom Erzbischof?“, rief er aus. Er musste sich setzen und fasste sich ans Herz. „Diese, diese … elende Schlangenbrut! Superbia, Avaritia, Gula und Luxuria - gibt es eigentlich noch eine Todsünde, die den römischen Prälaten nicht innewohnt? Uns bezichtigen sie der Häresie, und sie sind schlimmer als die schlimmsten Teufel. Was willst du tun, mein guter Neffe, wenn er kommt, um seinen Erben einzufordern?“
In seiner Aufregung hatte der Oheim erneut auf die höfischen Umgangsformen vergessen - ein immerwährender Streitpunkt zwischen ihm und seinem Neffen. Saïssac warf Raymond vor, sich für gewöhnlich viel zu schnell, vor allem in Weinlaune, mit jedermann zu verbrüdern, womit er in erster Linie die Spielleute meinte, die für den alten Katharer ein rotes Tuch waren. Einmal hatte er von seinem Neffen gar verlangt, im Umgang mit seiner eigenen Frau Inés die Höflichkeitsform beizubehalten - was dieser jedoch
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