Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
sonderbare, altkluge Kind, das ihn immer an einen kühnen Jagdfalken erinnerte. Saïssac sorgte sich. Er zerbrach sich auch den Kopf wegen Pater Hugo. Nicht dass er den Kerl mochte, im Gegenteil, doch immerhin versah dieser seinen Dienst am Hofe des von Rom gehassten Trencavel. Und ... er war der Beichtvater und Ratgeber der Vizegräfin Inés. Widerfuhr Hugo dasselbe Schicksal wie Castelnau, wäre dies das Todesurteil für Carcassonne!
Der Alte rückte das Barett zurecht und stand mit einem schmerzhaften Ruck auf. Draußen auf dem Hof stand noch immer Inés. Wartete sie auf die Rückkehr ihrer Schwester?
So viel Mühe man sich mit Raymonds Gemahlin auch gab, es war nicht zu leugnen, die vizegräfliche Ehe stand unter keinem guten Stern. Doch eine Auflösung kam nicht mehr infrage, nachdem ein Erbe geboren war. Rom würde dem nie zustimmen. Was blieb Raymond-Roger also anderes übrig, als das Schicksal anzunehmen? Nur gut, dass die Rocaberti inzwischen vernünftig war und sich anständig benahm, dachte der alte Mann, während er die Listen in die dafür zuständigen Lederbeutel steckte. Eine Zeitlang hatte sie sich, sehr zum Missfallen Raymonds, mit dem jüngeren Cabaret eingelassen, aber auch das war vorüber. Raymond-Roger und sie vermieden ein Alleinsein. Nur einmal, Damian war noch nicht geboren, hatte Saïssac beobachtet, wie sich die beiden nahe gekommen waren, draußen bei den Ställen. Es war jedoch nur ein Hauch gewesen, mit dem sein Mund den ihren gestreift hatte, nur ein Hauch …
3.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als die Tür zu Villaines Kammer aufgerissen wurde. „Los, steh auf!“ Fünfei stand auf der Schwelle, ganz aufgeregt. „Du wirst es nicht glauben, aber ´ ma Dame` ist draußen und will dich sprechen!“
Villaine blinzelte, versuchte zu verstehen, was gerade an sein Ohr gedrungen war.
Mit einem Mal war er hellwach. Beim bärtigen Ganymed! Hatte Fünfei von Alix gesprochen? Und bellten da nicht tatsächlich fremde Hunde?
Nackt, wie er für gewöhnlich schlief, stürzte der Spielmann zum Fenster, um auf den kleinen Hof seines Landgutes hinunterzusehen. Durch das Geäst des Apfelbaumes hindurch erkannte er drei fremde Reiter und eine Frau, hoch zu Ross. SIE!
Mit einem Mal zitterten seine Knie. „Hoho, sieh dich nur um, hier ist dein Paradies, Geliebte“, rief er still in sich hinein, während sein Herz hüpfte, der Bossu ungeduldig an seinem Arm zerrte und Fünfei über die verknitterten Beinlinge und das Wams aus gegerbtem Wildleder, die in einem unschönen Haufen neben dem Bett am Boden lagen, resigniert den Kopf schüttelte.
Villaine wehrte den Bossu ab. So schnell konnte er sich nicht losreißen vom Anblick der verführerisch schönen Vizegräfin von Rocaberti.
„Torheit und Stolz wachsen auf einem Holz“, hörte er Fünfei hinter sich murmeln.
Er drehte sich um, doch in den Augen des Freundes leuchtete warmer Spott.
Gespielt gleichgültig zuckte Villaine die Achseln, pfiff die Melodie seines berühmten chantefables , schlenderte dann in bemühter Ruhe zum Bottich hinaus, der sich vor seiner Kammer befand, um sich frisch zu machen.
Der Bossu und Fünfei sahen sich verblüfft an. Der Meister hatte sich doch erst gestern am Brunnen gewaschen! Kopfschüttelnd machten sie sich auf dem Weg zur Leiter, die nach unten führte.
Mit einem Mal hatte es aber auch Villaine eilig. Ohne sich abzutrocknen, stieg er in seine Beinlinge, wobei er in der Aufregung innen und außen verwechselte. Dann zog er das Wams über den Kopf. Beim Hinunterklettern fuhr er sich noch rasch mit der Hand durchs Haar, atmete einmal tief ein und aus und legte sich „königliche Zurückhaltung“ auf.
Obwohl Villaine sie nur mit gebührender Ehrerbietung begrüßt hatte, spürte Alix, dass er wie früher auf ihrer Seite stand. Er mochte manchmal etwas derb sein oder die Beinlinge verkehrt herum tragen, das alles stand einem Spielmann wohl zu. Eines jedoch war unbestritten: Er besaß ein warmes Herz.
Sie sprang vom Pferd.
„Der Cahors hat meinen Jungen gestohlen!“, sagte sie leise und traurig.
Als sie wenig später in der Küche bei einem Becher Ziegenmilch beisammensaßen, erzählte sie ihm alles.
„Villaine, ich weiß nicht mehr weiter!“, klagte sie. „Nachdem die Hunde die Spur aufgenommen hatten, sind wir im Zickzack durch unbekannte Wiesen und Felder geritten, bis wir auf eine Schafherde stießen. Plötzlich war die Fährte verloren. Der Schäfer hat uns den Weg zu Eurem Gut gezeigt,
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