Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
„weiß Pater Nicolas schon davon?“
Honoria zuckte die Schultern. Sie keuchte ...
Nachdem Nicolas im Turm nicht zu finden war, waren die beiden Frauen zur Kapelle hinüber gelaufen.
Die Tür klemmte. Erst als Honoria mit aller Kraft dagegen drückte, sprang sie auf. Ein paar aufgeschreckte Hühner sprangen heraus.
„Husch, husch!“ Honoria trat nach ihnen, um sie zu verscheuchen.
„Pater Nicolas?“ rief Agnès mit näselnder Stimme in die Dunkelheit hinein. Es war eiskalt in der Kapelle, als sie eintraten. Honoria suchte einen Stein, um die Tür offen zu halten. Endlich konnten sie etwas sehen.
„Pater Nicolas! Wo steckt Ihr nur?“ Plötzlich spürte Honoria, wie die Hand von Doña Agnès ihren Arm umspannte. Die Nägel der Herrin krallten sich regelrecht in ihr Fleisch.
„Da … da … da“, lallte Agnès und starrte nach oben.
Angetan mit seiner besten Soutane, baumelte Pater Nicolas in der kleinen Vierung der Kapelle, an einem der dunklen, wurmstichigen Balken.
Auch ihm war die Zunge herausgeschnitten worden, wie man später feststellte.
Alix drängte Gaya, sich zu beeilen. Wenn sie Damians Spur finden wollte, dann bald!
Ohne weitere Nachfrage stellte ihr Saïssac drei Reiter zur Seite, nachdem sie ihm mit fester Stimme erklärt hatte, Damian auf eigene Faust suchen zu wollen - und zwar außerhalb der Stadt.
Der Alte trat zu ihr hin. „Passt gut auf Euch auf, Vizegräfin!“, sagte er leise.
„Macht Euch um mich keine Sorgen, Sénher“, antwortete ihm Alix mit gespielter Zuversicht. „Ich lasse die Jüdin zurück, für den Fall, dass der Junge in meiner Abwesenheit gefunden wird.“
Ungeduldig sah sie sich nach den Reitern um, die in der Waffenkammer verschwunden waren. Wo blieben die Männer nur?
Plötzlich schallte eine Stimme von der Freitreppe herunter, ungewohnt schrill und laut. „Alix, ich untersage dir, eigenmächtig mit den Hunden aus der Stadt zu reiten!“
Inés eilte so schnell die Treppe hinab, dass der Saum ihres Gewandes den Erdboden streifte. „Und dass du Pater Hugo für dieses Unglück verantwortlich machst, das finde ich … also, das finde ich ungeheuerlich! Er liebt deinen Sohn, Alix, wie er auch Ray liebt!“
„Ich mache Hugo nicht verantwortlich, Inés, so lange ich nichts von ihm weiß, doch ich reite! Niemand wird mich aufhalten“, entgegnete ihr Alix kühl vom Pferd herab. „Du würdest an meiner Stelle genauso handeln!“
Als sie bemerkte, dass Inés zu weinen begann, lenkte sie ein. „Aber verstehst du denn nicht, Schwester? Vielleicht helfen mir die Hunde, Damian zu finden. Den Versuch darfst du mir nicht verwehren. Sollte sich die Spur des Jungen außerhalb der Stadt verlieren, kehre ich sofort zurück. Ich verspreche es dir!“
„Aber ... aber ich verstehe nicht, wieso er deinen Sohn gerade jetzt holt.“
„Der Cahors hat die Aufregung über den Mord am päpstlichen Legaten und die Abwesenheit deines Gemahls genutzt!“
Endlich kamen die Reiterknechte aus der Rüstkammer heraus, junge, bartlose Gesichter. Sie schwangen sich auf ihre Pferde. Alix bückte sich und ließ die Hunde an einer kleinen, blauen Gugel schnuppern.
„Such, Gardevias!“, rief sie, „Such, Sembla! Los, sucht Damian!“
Die Hunde sahen sie unsicher an, sie wussten nicht recht, was die Herrin von ihnen wollte, drehten sich im Kreis. Dann jedoch, als sie ihnen die Gugel ein zweites Mal vor die Schnauze hielt, jaulten sie und rasten auf das kleine Ausfalltor zu, das sich an der Nordfront des römischen Mauerrings befand.
Alix gab ihrem Pferd die Sporen ...
„Man muss versuchen, sie zu verstehen“, sagte Saïssac zu Inés, die betrübt und mit hängenden Armen vor ihm stand.
Dann machte er sich auf den Weg, sein Tagwerk zu beginnen. Als er die Regularien für die nächste Besprechung studierte, die ihm seine Schreiber vorgelegt hatten, und die jüngste Aufstellung des Lehnsvogtes von Limoux, nickte er zufrieden. Die neuen Kornkammern im Razés waren gut bestückt. Niemand musste Hunger leiden, wenn es Krieg gab. Raymond-Roger würde zufrieden sein ... Nach der Meldung des Herolds hätte er bereits hier sein müssen. War er vielleicht nach Reda geritten, um nach den verfluchten Toren Ausschau zu halten? Das Tor des Goldes, das Tor des Weihrauchs, das Tor der Myrrhe! Hirngespinste, nichts weiter!
Andererseits, dachte der Alte, wäre sein Neffe heute nicht zu halten gewesen. Er hätte darauf bestanden, an der Seite der Rocaberti den Knaben zu suchen ...
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