Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Euch nehmen. Er hat die Prüfung bestanden, die er bei uns ablegte.“
Alix traute ihren Ohren kaum. „Eine Prüfung? Jetzt schon? Aber er ist doch viel zu jung dazu!“
„Die Prüfung war seinem Alter angepasst. Sie ist einzig für Probanden aus dem Hause Wilhelms vorgesehen. Nicht Bartomeu von Cahors, sondern Euer Vater und ich haben das vor Jahrzehnten so vereinbart. Wir waren enge Freunde.“
„Aber ... mein Vater wusste doch gar nichts von Damian?“
Nun lächelte der Abt. „Eure Brüder waren ebenfalls hier. Sie waren leider nicht geeignet.“
Mit diesen Worten verließ er den Raum.
Der Bruder Cellerar trat ein, begleitet von zwei Novizen. Hinter ihnen Villaine. Die Mönche tischten Wein, Käse und Brot auf. Heißhungrig stürzte sich der Spielmann auf die Mahlzeit.
Alix brachte keinen Bissen hinunter. Was sollte sie Damian über seinen Vater erzählen, wenn er nach ihm fragte?
Erst nachdem es zur Non geläutet hatte, kam der Abt zurück, in Begleitung des Torwächters und - Damian.
Alix fiel auf die Knie, um die Heilige Jungfrau zu preisen. Dann erhob sie sich. „Wie groß bist du geworden, mein Sohn!“ Sie streckte die Arme aus und wollte ihn umarmen.
Doch er wich vor ihr zurück.
Alix ahnte, was in ihm vorging. „Nun, so sei mir von Herzen gegrüßt, Damian!“
„Ich grüße Euch ebenfalls, liebe Mutter, und auch Euch, Meister Villaine“, sagte er artig. Mein Vater ist tot, nicht wahr?“
Kalt fuhr es Alix den Rücken hinab. Wie konnte Damian dies wissen? Sie warf dem Abt einen fragenden Blick zu. Er nickte unmerklich.
„Ja, Damian“, sagte Alix tapfer. „Er ist tot.“
„Dann lass uns jetzt nach Hause reiten, Mutter, nach Carcassonne.“
„Ja, wir reiten ... nach Carcassonne!“
Der Knabe trat vor den Abt und küsste ihm die Hand. „Gott möge verherrlicht werden“, sagte er leise. „Ich komme wieder, wenn die zweite Prüfung ansteht. Ihr habt mein Versprechen, Ehrwürdiger!“
Der Alte strich ihm über den Kopf.
„Ich weiß“, sagte er gütig. „Wir werden auf dich warten.“
Weil der Abt darauf bestand, ihnen zwei Laienbrüder und genügend Verpflegung mit auf den Weg zu geben, mussten sie sich noch etwas gedulden. Doch Damian roch offenbar bereits die Freiheit. Sein Bündel unter den Arm geklemmt, lief er zum Ausgang, und rannte in den Garten hinein. Bei den Mönchen, die gerade die abgeschnittenen Zweige auf einen großen Haufen türmten, hielt er inne.
„ Benedicamus domino“, rief er ihnen fröhlich zu, worauf sie lachten und mit einem Deo gratias dankten. Ein Novize schenkte ihm einen ausgesuchten Zweig. Fürsorglich entfernte er die Dornen, damit sich Damian nicht verletzte.
„Was sind das für Bäume“, fragte Alix, als sie ihren Jungen eingeholt hatte.
„Wart Ihr noch nie in einem ´Bibelgarten`?“
„Du meinst einen Biblischen Garten?“ Alix sah sich um. „Hier?“
„Ja, da staunt Ihr. Die meisten Gewächse stammen aus dem Heiligen Land!“, sagte er stolz. „Und dies ist ein Myrrhenzweig.“
„Hier wachsen tatsächlich Myrrhenbäume?“, fragte Alix erstaunt.
„Ja. Die trockenen Äste werden gesammelt. Und wenn der Heilige Policarpi Geburtstag hat und der Mond rund ist, bringen die Mönche sie auf den Berg Bugarach und verbrennen sie dort in der Nähe eines Adlernestes.“
Nun durchfuhr es Alix heiß und kalt. Das Adlernest! Hatte der Brauch des Zweigeverbrennens mit den nächtlichen Spiegelungen auf dem Bugarach zu tun? Befand sich vielleicht dort das dritte Tor? Das Tor der Myrrhe?
24.
„Eine ungeheuerliche Lüge!“ Saïssac fasste an sein Herz, rang nach Luft. „Zuerst hieß es, ein Katharer habe im Auftrag Raymonds von Toulouse Castelnau getötet. Jetzt behaupten sie, Katharer hätten auf das Evangelium uriniert, die Schrift von der Mauer auf die Franzosen geworfen und mit Pfeilen nach ihr geschossen. Ich sage euch: Niemals! Wahre Katharer töten nicht und die Evangelien gelten uns als heilig!“ Er deutete auf das Pergament, das sein Neffe in der Hand hielt. „Dass sie Zeugen für ihre Behauptungen gefunden haben, wundert mich nicht. Rom überlässt nichts dem Zufall oder gar Gott.“
Gleich zu Beginn der großen Kriegsberatung in Carcassonne hatte sich die Tafelrunde mehr von ihren Gefühlen leiten lassen als vom Verstand. Hin und her war die Schuld am Gemetzel von Béziers geschoben worden.
Irgendwann stand der Trencavel auf, zerriss vor aller Augen das von seinem Oheim zitierte Schreiben, das ihm im Morgengrauen ein
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