Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
deswegen keine Ketzerin sein könne, weil sich die „Guten Leute“ - so bezeichneten sich die Katharer untereinander - üblicherweise weigerten, ein Huhn zu schlachten. Doch sie, die dicke Blanche, schlachte hier im Turm ständig Hühner und andere Vögel, hatte sie gesagt, auch damit es dem Herrn Bischof wohlergehe, denn von zarten Vögeln und Hühnern - das war die Stelle, an der Alix gelacht hatte - verstünde er etwas.
Es war gekommen, wie es hatte kommen müssen: Blanche war aus dem Turm und Alix in ihre Kammer verbannt worden, wo sie sich heulend auf ihr Lager warf. Sie mochte Blanche und fand es ungerecht, dass man die tüchtige Frau aufgrund einer solchen Kleinigkeit bestrafte. Obendrein sah sie auch ihren eigenen Fehler nicht ein. Weshalb hatte sie nicht lachen dürfen? Der gute Vater hätte mitgelacht, wenn er noch am Leben gewesen wäre.
„Es gibt keinen Zweifel“, sagte Alix mutlos zu ihrer Schwester, „der Bischof steckt dahinter. Und ich habe mir alles selbst zuzuschreiben. Geh du getrost nach Carcassonne, Inés, und werde glücklich dort, du bist mir die liebste unter all meinen Geschwistern!“
„Oh, nein“, stieß nun die Kleine hervor, die gerade erst dreizehn geworden war. Sie begann mit flinken Fingern ihren Zopf neu zu flechten, damit Alix ihre Tränen nicht sah. „Du passt viel besser an den Hof von Carcassonne, du spielst Schach und die Laute, bist klug und geschickt. Du hast auch keine Angst, mit Fremden zu reden. Ich hingegen ...“
Inés liebte ihre ältere Schwester abgöttisch und bewunderte sie über alle Maßen. Insgeheim hoffte sie sogar, an ihrer Seite nach Carcassonne ziehen zu dürfen, um immer in ihrer Nähe zu sein. Dass sie nun selbst Vizegräfin großer und bedeutender Ländereien werden sollte, erfüllte sie mit Stolz - aber noch mehr mit Angst. Und was war das Glück wert, das auf Kosten eines anderen Menschen ging?
„Aber verstehst du denn nicht, Inés?“, versuchte Alix ihr zu erklären, „genau das trägt zu meinem Unglück bei! Das Schachspiel, die Laute! Ich soll den Bischof unterhalten, ihm die Viten der Heiligen vorlesen und andere fromme Geschichten. Er findet meine Gegenwart anregend! Das hat er mir selbst gesagt. Wahrscheinlich erträgt er den Gedanken nicht, dass ich bald nach Carcassonne gehe, an einen Hof, mit dem er obendrein zerstritten ist, weil dort Katharer leben.“
Genug gejammert! Trotzig setzte sich Alix das sommerliche Kranzgebinde wieder auf den Kopf. Wer hatte wohl die dicke Blanche verständigt, dass sie ihr einen Abschiedskranz band? Petrus, der Koch? Oder gar der brave Pater Nicolas?
Die Sänfte schaukelte heftig. Alix grübelte. Der Vorfall an Ostern trug zu ihrem Unglück bei, aber nicht allein. Es musste noch andere Gründe geben. Gewichtigere.
Hing es vielleicht mit ihrer Stiefschwester zusammen? Marie war als einzige nicht gekommen, um sich von ihr zu verabschieden. Hatte Mutter sie wieder eingeschlossen? Die beiden hassten sich. Marie stammte aus der ersten, rechtmäßigen Ehe des Vaters, während sie - Alix und ihre jüngeren Geschwister - gewissermaßen „Bastarde“ waren. Rom hatte Vaters zweite Ehe nie anerkannt. Ursprünglich hatte Marie Montpellier erben sollen, doch Mutter setzte durch, dass das Salische Recht zur Anwendung kam, das nur männliche Erben vorsah. Sie verheiratete Marie zum ersten Mal, als diese zehn war. Mit elf war sie bereits Witwe. Die nächste Ehe ging ebenfalls schief. Nachdem es sich herausgestellt hatte, dass der Graf von Comminges noch mit zwei anderen Frauen verheiratet war, lief ihm Marie davon. Seit einem Jahr lebte sie nun wieder in Montpellier, aber sie war unglücklich, lachte kaum, betete viel - was auch daran liegen mochte, dass sie Ihre kleinen Töchter in Comminges zurückgelassen hatte.
Nach Maries Rückkehr war es im Turm zu heftigen Streitereien gekommen. Alix erinnerte sich an einen lauten Disput ihrer Eltern, einige Wochen, nachdem der Vater krank geworden war. Es ging um den Papst, um Bigamie und erneut auch um Marie als Vaters Nachfolgerin. Aber auch Alix` Name war gefallen und der der Stadt Carcassonne. Der Bischof vermittelte zwischen den Eltern.
Bartomeu von Cahors. Schon wieder!
2.
Nach der unschönen Unterredung mit ihren beiden Töchtern hatte sich Doña Agnès in ihre Kemenate zurückgezogen, wo der Bischof bereits auf sie wartete.
„Seid ohne Sorge“, sagte sie zu ihm. „Mit den Mädchen ist alles geklärt. Ihr könnt morgen reiten und Alix mit Euch nehmen.
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