Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
schien wie ein Haupt zu bewegen den Wipfel“, murmelte sie halblaut.
Martin verwunderte sich nicht schlecht über ihre seltsame Lektüre. Er steckte das Gold ein, und drückte dann den grünen Schuh wie eine seltene Kostbarkeit an seine Brust.
Die Tochter des Juden Löw hatte den Spielleuten nicht weiterhelfen können, außer dass sie ihnen schilderte, wie verzweifelt die junge Frau ausgesehen hätte, als der Maure plötzlich unter der Tür stand, und wie sehr alle Leute in der Stadt, und vor allem die Juden, den Erzbischof fürchteten.
„Die Stadt ist vom Ewigen verlassen“, flüsterte sie, „und der Vater in größter Sorge, dass man ihn im Fluss versenken oder mit den Füßen voran an den Kniegalgen auf dem Rabenstein hängen könnte, wo ihn die Vögel bei lebendigem Leibe fressen, wie es im letzten Jahr dem guten Rabbi Yacob geschah, den man gemeinsam mit seinem Hund dort aufhängte.“
Esther rang die Hände.
Villaine beschloss augenblicklich, Vorsicht walten zu lassen und abzuwarten, wie er es dem Trencavel versprochen hatte. Mit unüberlegten Handlungen würde er nicht nur den Schuhmacher und Pelfort gefährden, sondern möglicherweise auch Löw und seine Tochter.
Vier Tage später, als er mit den anderen untätig, aber innerlich angespannt, im „Buntspecht“ beim Würfelspiel saß, kam die Frau des Schuhmachers angelaufen.
„Meister Spielmann!“, rief sie keuchend zwischen Tür und Angel, und ihr Busen wogte, „habt Ihr es vergessen? Mein Mann wartet auf Euch, um Euch die Leisten anzumessen!“
Villaine schlug sich in gespielter Vergesslichkeit an die Stirn. Er dankte, würfelte aber erst einmal fröhlich weiter. Nach einer Weile erhob er sich, dehnte und streckte seinen Körper und meinte belustigt in die Runde. „Ich bin der Herr, sagte der Mann, da saß er schon unterm Tische! Ich laufe grad mal zum Schuster hinüber, um nachzusehen, ob er tatsächlich drunter hockt!“
Der Zeitpunkt für seinen Aufbruch war dennoch schlecht gewählt. Aber Villaine wäre nicht er selbst gewesen, hätte er das Missgeschick, das ihm beim Überqueren der Straße widerfuhr, nicht klug genutzt, um die Neugierde der Nachbarschaft zu befriedigen, die sich längst wunderte, weshalb die Spielleute noch immer nicht weitergezogen waren. „Himmel!“, zeterte er, noch bevor er die Tür zur Werkstatt aufriss, „jetzt hat mir doch die alte Vettel dort oben ihre Pisse auf die Füße gegossen!“
Drohend reckte er die Faust. „Seht nur her, Leute, mein Beinzeug ist tropfnass und stinkt!“, rief er den Gaffern zu, die sich vor Lachen ausschütten wollten. „Meister Aton wird sich schön bedanken, wenn ich ihm mit nassem Zeug komme!“
Aton, vom Geschrei des Spielmanns aufgeschreckt, bequemte sich selbst auf die Straße hinaus. „Das war bestimmt die alte Jacotte“, meinte er und deutete auf das winzige Fenster des schiefen Fachwerkhäuschens, das sich an das seine schmiegte. „Seid ungeniert, Spielmann, tretet ein. Mein Weib bringt euch Wasser und ein sauberes Tuch, damit Ihr Euch reinigen könnt. Dann will ich Euch die Leisten anmessen.“
Als Villaine kurz darauf mit noch viel nässeren Beinlingen vor der Esse saß - die Schusterin hatte es zu gut gemeint mit dem -, erschien der Katharer Pelfort, der in der Küche auf ihn gewartet hatte. Behände lief er durch die Werkstatt zur Tür und legte den Riegel vor, er wollte nicht zusammen mit dem Spielmann gesehen werden.
Dann bückte er sich und zog unter Atons Werkbank einen grünen Schnabelschuh hervor.
„Hier, Spielmann. Ein Novize aus dem Palais hat ihn gebracht und meinem Schwager den Auftrag erteilt, ein Gegenüber anzufertigen. Ein ganzes Goldstück hat er ihm dafür gegeben!“
„Ja, viel zu viel, wo wir den anderen Schuh doch bereits haben!“, krähte die Schusterin. Ihre kleinen Äuglein glänzten wie reife Kornelkirschen. „Nun, war das die Pisse der Alten nicht wert?“ Sie lachte schäkernd und stupste Villaine in die Rippen.
Die nassen Beinlinge waren vergessen. Der Spielmann spitzte den Mund und pfiff.
„Beim bärtigen Ganymed“, sagt er, drehte und wendete den Schuh.
Pelfort, Aton und die Schusterin ließen ihn nicht aus den Augen.
Nach einer Weile sah er sich suchend um, entnahm dann dem Kasten des Schuhmachers eine der feinen Zangen und zog damit behutsam das Werg heraus, das die hochgezogene Spitze in Form hielt.
Die Schusterin wollte ihren Augen nicht trauen, als er ein zusammengerolltes Pergament hervorzog.
Villaine setzte
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