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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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verstanden, die Haare sträuben mußte. Der Sänger schluchzte und schwamm in Tränen und sang, als rührte sein Schmerz aus der bitteren Lehre, daß das, was die Welt im Innersten zusammenhält, verrostete Nägel sind, an denen die Herzen hängenbleiben und zerreißen. Das Lied hieß Capri c’est fini.
    48 Stunden später stapften Pjotr und Aljoscha durch den hohen Schnee, der die Nacht illuminierte. Was Pjotr zu berichten hatte, war Berichtigung des Kosmos, Berechtigung des Kosmos und eine Woche her. Dies ist der Winter unserer Durchgangsriten. Dies ist das Wintermärchen, das mit Elena beginnt. Mit Studienfreunden und Freunden von Freunden hatte Pjotr in den Rauhnächten ein Haus am Meer gemietet. Unter einem Himmel so sternübersät, als hätte ein Milchstraßenhausmeister die ganze solare Herrlichkeit extra zusammengefegt, hatten Elena und er einfach Zeit miteinander verbracht und so getan, als ob sie einfach Zeit miteinander verbrachten.
    Und dann geschieht, wofür man sich im alten Griechenland eigens einen Gott ausdachte, der mit Pfeilen um sich schießt, blind und treffsicher. Liebende, Verwundete, die hunderttausend Worte auf einmal finden wollen, um alles zu sagen, was zu sagen es sie drängt in jener Stunde, da der Große Wagen anhält, um sie abzuholen – und die doch, dem süßen Schmerz der Wunde ganz ergeben, nichts anderes mehr ersehnen als wortlos zu kapitulieren.
    Pjotr war nicht verliebt. Er war nicht euphorisch wie nach der Begegnung mit Alexandra. Er war ernst und beinahe schwermütig. Er war einer, der gefunden hatte. Von einer bedingten Wahrheit zur nächsten, bis zur unbedingten Wahrheit, geht so das Leben? Denn es gibt eine absolute Wahrheit. Keine für alle, aber eine für jeden. Wer sie ahnt, wer sie spürt, stürzt noch einmal vom Himmel, fällt noch einmal auf die Erde. Der Mensch, der endlich wahrhaft liebt, erkennt mit einem Schlagall seine Fehler, weiß jedoch, daß er noch tausend Jahre lebt und rüstet sich dafür. Ein letzter Fluch aus dem offenen Grab mißgünstiger Augen begleitet ihn. Selbst aus den Herzen derer, die verstehen, daß einer tun muß, was er tut, löst er sich sanft.
    Es nicht zu haben, das ist Pech. Es zu haben und es zu verschleudern, das ist Dummheit. Es zu haben und es mutwillig zurückzuhalten, das ist Bosheit. Es zu haben und es zu erfüllen, das ist der Unterschied.
    „Meine Seele“, sagte Pjotr, als sieben Kerzen brannten in Aljoschas Zimmer, „war umschlossen von Packeis. Gigantische Formationen. An denen ist noch jeder Wunsch nach Glück zersplittert. Jedes tapfere Schiff, das sich zu mir aufgemacht hat – zerschellt. Daß diese Eispaläste bersten – Aljoscha… nie so ersehnt. Nie so möglich.“
    Der Mensch, der versteht, daß man nur einen Koffer hat im Leben.
    „Ich habe ein zweites Ich“, sagte Pjotr. „Das spuckt Hohn auf die Möglichkeit unschuldiger Begegnung. Kalten Hohn, der im Nu gefriert. Jede Bewegung erstarrt mir mitten in der Bewegung. Ich bin so bedeckt von mir selbst. Ich laste in Schichten auf mir. Ich dringe nicht mehr durch.“
    Und dann zwei Sterne im All, die beschließen, daß sie nur noch füreinander leuchten.
    „Und dann bin ich mit Elena am Strand in dieser unglaublichen Sternennacht, und wir stehen auf Milliarden von Sandkörnern, denen es völlig egal ist, ob irgendein Schafskopf das Gefühl hat, im Eis eingefroren zu sein, und ich fühle diese Hand, die mich wissen läßt, daß sie sich gut aufgehoben fühlt in meiner – diese Unbefangenheit… ich hatte vergessen, wie sich das anfühlt.“
    Als ob jemand aufwacht mit Tränen in den Augen.
    „Als ob ein Schleier sich hebt. Ich bin endlich da. Es gibt Elena. Unfaßbar. Die schwarze Nacht mit all ihren Sternen senkt sich genau auf uns. Da draußen ist etwas, das rückt die Gesetze zurecht für uns. Wir halten uns fest. Weil wir beide es spüren.“
    Und dann zeichnet Gott einen perfekten Kreis in den Sand und dann macht er daraus einen Ring aus Feuer.
    „Wir sind die einzigen Menschen auf der Welt. Ich warte auf den Zwang, nach Worten zu scharren, aber er kommt nicht. Ich warte auf das Gefühl, daß sich in mir alles kreuz und quer legt wie Mikadostäbe, aber es kommt nicht.“
    Paradies genanntes Ding. Daß die Schatten noch nicht sprachbegabt sind.
    „Und jetzt… ich weiß nicht, was es ist. Ich empfinde Demut vor irgendeiner Art von Weisheit, die verschlossenen Menschengeistern hinterher jagt. Mir, der ich mir eingehämmert habe: bin unbedarft, bin

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