Aljoscha der Idiot
SIE kam näher wie eine Schlange im Gras eines duftenden Gartens. SIE drang ein in sein Nichtsahnen wie eine Pfeilspitze in ihr überraschtes Ziel. Als käme SIE aus den Tiefen eines verfluchten Geschlechts, irrend durch die grauen Häuserschluchten, die Lider vor Einsamkeit schwer geworden, so ging SIE, ohne aufzusehen, auf IHRER eigenen Straße hin. Erst ganz zuletzt ein leises „
Ach
…“, zu spät, um das Bittere aus seinem Lächeln zu verscheuchen. SIE hatte ihm nicht erlaubt, etwas anderes zu sein als ein Vorübergehender. O meine Freundin! Welcher Gott sieht uns zu mit einem Blick durch den Smaragd?
FROZEN WARNINGS CLOSE TO MINE
CLOSE TO THE FROZEN BORDERLINE
Tödliche Vokabeln zogen durch Aljoschas Kopf an diesem Abend: berüchtigte Kopfjäger wie Illusion, Vergeblichkeit, Hoffnungslosigkeit und Wahn. Vokabeln mit sechs Patronen in der Trommel.
„Sie hat mich nicht gesehen oder wollte mich nicht sehen“, sagte Aljoscha.
„Die ganze Zeit hat sie dich gesehen“, sagte Pjotr.
„Aber dieses Beiläufige? Nein, niemals glaube ich, daß sie auf etwas wartet – niemals. Sind die Dinge denn nicht so, wie wir sie erfassen?“
„Nein. Sie sind gerade nicht so, wie wir sie erfassen.“
„Dann ist Hoffnung.“
„Nein, dann ist gerade keine Hoffnung. Dann ist Wirklichkeit.“
Eines Morgens sah Aljoscha einen großen Möbelwagen direkt vor IHREM Haus. Er beobachtete das Geschehen lang genug für die Gewißheit, daß jemand aus dem Altbau Nr. 10 auszog. Und das Interieur, das da den Standort wechselte, war kein Ramsch. Und die Pranken dieser Herkulesse trugen sichtlich feminines Ambiente aus dem Haus. War dies der Schicksalsscherz, auf den Aljoscha insgeheim schon lange wartete? Nahm hier eine teuflische Variante der Rochaden ihren Lauf, die SIE und er im Hörsaal C so geheim und virtuos erprobten?
Aljoscha lauschte angestrengt, doch aus dem Mörtel seiner eigenen vier Wände drang kein hämisches Lachen. Er machte sich daran, die Löcher in den Fußleisten zu verplomben und jede Direktverbindung zum Abyssus zu unterbrechen. Man weiß nie.
In der Dunkelheit stand er erneut vor Nr. 10 und zählte die Klingelknöpfe. Es waren genau 18. Aber er zählte keine 18 Namensschilder. Einige Schilder fehlten, und den Namen Rogowskaja entdeckte er nicht. Man konnte 1 und 1 nun auf verschiedene Weise zusammenzählen, aber die Mehrzahl der Weisen ergab ein katastrophales Minus. Wenn Katharina Rogowskaja nicht an diesem Morgen ausgezogen war, dann lebte SIE in diesem Haus bei einem anderen. Wenn SIE nicht bei einem anderen wohnte, hatte SIE Gründe für größtmögliche Diskretion. Und wenn SIE keine Gründe hatte, dann war IHR Namensschild herausgefallen und vom Winde verweht. Und wenn kein Wind wehte, war Aljoscha am Ende.
Er wechselte die Straßenseite und sah zu den erleuchteten Fenstern hinauf. Hin und wieder schritt eine Gestalt durch den Lichtschein hinterden Vorhängen. War es Täuschung, oder ging eine dieser Gestalten ruhelos umher? Wenn man bei Nacht den Tieren im Zoo zuhört, klingen sie verzweifelt. Ein Spielzeug zerbricht im Lied vom einsamen Mädchen.
Aljoscha fuhr zu Ledas neuer, noch fast leerer Wohnung, um dort an seiner Semesterarbeit zu schreiben. Er bewohnte die Stille in der von ihm eroberten Burg, und wenn er von seiner Arbeit aufsah und scheinbar ins Leere blickte, bat er diesen Ort, es mit Leda immer gut zu meinen; er bat die Wände, Leda zu behüten und auf sie aufzupassen, wenn er einmal nicht mehr da sein sollte.
Gegen Abend kam die Sache ins Rollen. Er hämmerte so nervös auf die Tasten ein, daß er bei jeder Pause das Gefühl hatte, ausgeschaltet zu sein; tatsächlich hatte er, als er zusammenpackte, genügend Seiten zustande gebracht, um über den Berg zu sein. Er fuhr nach Hause und rief Leda an.
„Du warst da ? Fast wäre ich auch hingefahren! Da hätte ich mich ja erschrocken… mein erster Einbrecher! Ging es denn gut voran?“
„Ja, phantastisch.“
„Hast du auch über das Buch geschrieben?“
„Über alles. Ich habe über alles geschrieben.“
„In meiner Wohnung schreibst du deine Arbeit…“
„Ja. Mir gefällt es da. Ich hoffe, du wirst glücklich dort.“
„Sag es nicht so, Aljoscha… ich hoffe immer noch, daß wir dort glücklich werden.“ Als wollte sie Aljoscha nicht zu einer Antwort nötigen, wechselte sie abrupt das Thema: „Aber es war doch gar nichts im Kühlschrank! Hast du den ganzen Tag gehungert?“
„Ich hatte Verpflegung dabei.“
„Hast
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