Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
Vom Netzwerk:
Erkenntnisse von einiger Tragweite. Die ausgetrückte Emplößung der Betrübnuss Aljoscha Tuschkins, einem armen, elenden, jemerlichen Pulversack abkunterfeit, muß derhalben frey von scheinbarlichem Geschwetz angesehen seyn als die Summe aus a) IHREM Fortgehen – um es auf eine präzise Formel zu bringen, Gehen in die falsche Richtung – und b) dem Glück darüber, IHR überhaupt begegnet zu sein. Einfache Formel: Glück minus SIE ist gleich Betrübnis. Gemach indes. Das Glück lag nicht in Reinform vor; es war legiert mit einer Art von Schamgefühl über seine eigene Existenz. Ich folgere also: [Glück G = (G minus Scham S)] minus SIE = Betrübnis B. Hierauf der Regen R aus Himmel H, meine Herren. Messieurs werden die Richtigkeit meiner Deduktionen einsehen. Die richtige Zeit und der richtige Ort, und doch: beobachten Sie, Doctores, den interessanten Schrumpfungsprozeß, dem die Hoffnung unterliegt. – „Genug! Genug mit Ihrer Wissenschaft! Ich weiß jetzt, was ich tun muß!“ erklärte die Frau in Nosferatu dem vertrottelten Quacksalber und brachte sich und ihren Hals dem Vampir zum Opfer. Aljoscha ging ergeben seines Weges und dachte nicht daran, daß die Sphinx auf seine zweifelhafte Wissenschaft zurückkommen würde. Es regnete Katzen und Hunde, wie der Londoner sagt.
    Sieben Tage später saß Aljoscha vor Beginn der Vorlesung über Nicolas Poussin im Hörsaal C, sehr weit oben auf der rechten Seite, und sehr weit unten auf der linken Seite sah er plötzlich mitten in der Menge einen hellen Schein, ein unnatürliches Leuchten, das seine Aufmerksamkeit fesselte. Er versuchte, seinen Blick schärfer zu stellen, und es verlosch. Er wartete. Da, von neuem! Es wiederholte sich in kurzen Abständen. Ein Leuchten, das nichts anderes war als das geisterhaft blasse Antlitz einer Frau, die sich wiederholt umwandte und
    BE A LIGHTHOUSE
    Blicke in das Areal warf, in dem Aljoscha saß. War er der Anlaß dieser Leuchtzeichen? Blickte da jemand seinetwegen über die Schulter zurück? Die Entfernung
    DON’T BLOCK OUT YOUR VIEW
    war zu groß. Aljoscha war nicht sicher. Möglich, daß SIE es war. Erschienen als Kundschafterin im Dienste IHRER selbst, wohlverborgen in den abgelegenen Regionen des vollbesetzten Hörsaals. Vielleicht hatte SIE nach der Begegnung im Regen am letzten Dienstag die magischen Knochen geworfen und die Zeichen gedeutet. Vielleicht setzte sie die Zeichen. Jemand löschte das Licht, aus dem Leuchten wurde Glühen, aus dem Glühen Finsternis. Aljoscha war nicht sicher.
    Vor nichts mehr.

11
    Mit seiner tiefen und wohltönenden Stimme sprach Professor Jelzow über die Metamorphosen des Apuleius. Er beschrieb die Abenteuer, die Lucius, der Held und Erzähler der Geschichte, bestehen muß, bevor er von der Schmach der Verwandlung in einen Esel erlöst wird. Gerade noch rechtzeitig – das Vorprogramm ist schon gelaufen – vor dem öffentlichen Koitus mit einer zum Tode verurteilten Giftmischerin in einem Amphitheater geflohen, erschöpft niedergesunken vor der Meeresbrandung und dort im Schutz der einbrechenden Dunkelheit vom Schlafe übermannt, erwacht der noch immer eselige Lucius im Mondlichtglanz und schaut, als käme etwas näher auf der Silberstraße vor ihm auf dem Wasser. Überwältigt vom majestätischen Anblick und beseelt von der Ahnung seiner Rettung steigt er in das Meer, um sich zu reinigen. Siebenmal tauchter sein Haupt in die Fluten. Was bedeutet die Sieben? Die Sieben, sagt Pythagoras, ist am schicklichsten für heilige Verrichtungen.
    Lucius betet zur Königin des Himmels. Ihren wahren Namen kennt er nicht. Da erscheint ihm die ägyptische Göttin Isis. Jelzow las nun vor, was Isis spricht:
    Da bin ich, Lucius, durch dein Gebet gerührt, die Herrin aller Elemente, die höchste der Gottheiten, die Königin der Geister, die Erste der Himmlischen, die Erscheinung der Götter und Göttinnen in einer Gestalt, die ich des Himmels lichtvolle Höhen und der Unterwelt vielbeweinte Stille durch meinen Wink leite.
    Aljoscha legte seinen Bleistift auf das Pult und lehnte sich zurück. Goldene Blätter wehten durch den Innenhof, vom Wirbelwind getrieben. Aljoscha blickte aus dem Fenster, alles andere als teilnahmslos, alles andere als unberührt. Nur war ihm eben der Bleistift abgebrochen.
    Hier bin ich aus Erbarmen mit deinem Geschick, hier bin ich voller Gnade und Güte. Laß nun dein Klagen, verscheuche den Kummer. Schon bricht für dich durch meine Fürsorge der Tag der Rettung an. Also richte

Weitere Kostenlose Bücher