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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Jahre 1913, 23, 33, 43, 53 und 73 hinein ist vielleicht sinnvoll. Damit wäre eine Verbindung vom«Sirius»zum«Echolot»hergestellt.

    In Hamburger Antiquariaten besorgte ich Bücher für das«Echolot». Es war aber nicht recht befriedigend. Ein sehr interessantes Buch von Danuta Czech: Das Kalendarium von Auschwitz fand ich bei Hennings. Das lag da wohl schon lange, der Buchhändler jedenfalls gewährte mir einen erheblichen Nachlaß. - Insgesamt kaufte ich für 215 Mark Bücher bei ihm.
    Ich war auch bei Hiby, mit dem ich nochmals über den Computer sprach. Zu IBM überlaufen? Anscheinend haben sie mich mit der«Olivetti»-Maschine reingelegt. Funktionieren tut’s ja an sich gut, aber der«Olivetti»kann mit anderen Geräten nicht kommunizieren. Nun ja, warum läßt man sich auch mit Italienern ein?
    Der Amerikaner erzählt wieder mal sonderbare Geschichten von seinem Vater. Wir lachen sehr. Wenn seine Mutter nicht weiß, wo rechts ist, sagt er:«Das andere links»zu ihr. Er wird immer gesprächiger. Wir waren in Gyhum und aßen Abschied. Die schöne Wirtin war nicht anwesend.
    Im Altstadt-Antiquariat, Gr. Reichenstraße, kaufte ich Langgässer («Vergänglichkeit»), Pieper («Noch wußte es niemand»), Bredow («Zeitenwende»), Biss («Stopp der Endlösung»), Brustat-Naval («Unternehmen Rettung»), Nicolson (Tagebücher und Briefe), Kieser («Danziger Bucht 1945»), Wilmot, Stratmann («In der Verbannung»), Cooper («Das läßt sich nicht vergessen»): 168 Mark!

Nartum
Fr 8. September 1989
    Bild: Alexanderplatz abgeriegelt/Schreie, Tränen/Vopos prügelten Demonstranten
    ND: Am Donnerstag auf der Leipziger Messe/Viele weitere Verträge und Gold für Spitzenleistungen
     
    7 Uhr.- Gestern kriegten wir hier einen herrlichen Rinderbraten. In Rotenburg kaufte ich von Einsiedel:«Tagebuch der Versuchung».
Ein Eiferer, der so gern ein 20.-Juli-Mann sein möchte. Kann ich verstehen. Aber was nicht ist - ist nicht. Da nützt es auch nichts, wenn man sich einen Spitzbart stehen läßt.
    Rechnung über Seminar-Anzeige in der ZEIT: 273 Mark.
    Aus Bargfeld bekam ich eine liebe Karte von einem Arno-Schmidt-Fan. Er erwähnt meinen A.-S.-Nachruf, damals, in einer Nacht geschrieben. Weil man keinen anderen fand, der’s tun wollte, engagierte man mich zu spät dazu. Man sei mir in Bargfeld wohlgesonnen, wurde mir mitgeteilt. Das ist mir an sich ziemlich wurscht.
    Eine Frau Sowieso sei 92 Jahre alt, wird mir erzählt, aber noch ganz klar im Kopf. Sie kann doch so klar sein, wie sie will? Das geht doch niemanden etwas an? Alte Menschen. - Ich habe nachgerechnet: Als ich fünf oder sechs war, habe ich mal einen Alte-Krieger-Vorbeimarsch gesehen. Die Veteranen wurden in Droschken hinterherkutschiert, Orden am Paletot. Vielleicht war ein 90jähriger darunter? Der wäre dann Jahrgang 1845 gewesen. Also ein Teilnehmer des Krieges 70/71. Das sind so Spielchen. Man kann’s anstellen, wie man will, aber bis zu Goethe reicht man nicht zurück.
     
    23 Uhr im Bett. Ich jauchze, wenn ich mein Bett sehe. Hildegard hat es mir aufgeschüttelt und die Bettdecke zur Seite geschlagen: Jeden Abend tut sie das. Früher legte sie mir manchmal Zettel hin, das tut sie jetzt nicht mehr, weil sie gemerkt hat, daß ich sie sammle. - Noch etwas hin- und herlaufen, Zähne putzen, duschen, nochmal eben ins Archiv. Von der Katze verabschieden, alles in freudiger Erwartung des Zubettgehens.
    Mendelssohn, Hebbel-Tagebuch, Mendelssohn-Quartett. Ein Dankgebet zu Gott. Wir brauchen ihn, damit wir uns irgendwo bedanken können. - Es ist alles gut gelaufen. Dankbarkeitsgefühle gegenüber Hildegard. - Heute gab es Kartoffelmus mit Butter, dazu ein Glas Milch und hinterher Weintrauben aus eigener Ernte. Das sollte man auch nicht für selbstverständlich nehmen.

Nartum
Sa 9. September 1989
    Bild: Hamburg-Jet stürzte in Nordsee - 55 Tote
    ND: Rege Handelstätigkeit auch am vorletzten Tag in Leipzig
     
    Gestern bei gelbem Himmel ein Gewitter, das nicht recht ausbrechen wollte. Starker Regen. Die Katze war schon vorher argwöhnisch, wollte nicht raus. Auch die Hunde nicht. Ja, Tiere haben feinere Organe als wir Menschenkinder, aber Bücher schreiben können sie nicht.
    Fromme in der FAZ bezeichnet die Autobiographie von«Sophia» 10 als eine Kostbarkeit. Geärgert habe ich mich darüber, daß der Eindruck entstanden ist, Frau Budde habe diese Biographie«entdeckt», wie Fromme auch schreibt. Die Herausgeberin habe Orthographie und Satzbau in Ordnung bringen

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