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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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gesunken, 50 Matrosen sind ums Leben gekommen. Man befürchtet eine Verseuchung des Meeres mit Plutonium. Also künftig auch keinen Fisch mehr essen. Irgendwie sieht man eine solche Katastrophe wie in einem Ufa-Kriegsfilm vor sich oder in sich. 1945 haben U-Boote auch Flüchtlinge geholt aus Ostpreußen. Die konnten fünf oder zehn Menschen mitnehmen, die mußten z. T. stehen (im Turm!).
    Nachmittags kam das Flötenquartett aus Oldenburg. Die vier Mädchen bliesen mir was vor, ich fotografierte sie. Habe sie für Lübeck engagiert.
    Ich möcht’ gern mal sehen, in einem Hollywood-Aquarium, wie junge Fräuleins mit Haifischen spielen. Vor der Glaswand sitzen und geröstete Mädchenfinger knabbern. In Chicago das große Aquarium. Oder wo war das? Ganze Fischschwärme waren zu beobachten, so ähnlich wie die Stare vorgestern. Sie drehen und wenden sich. Wer gibt das Kommando? Und warum?
    Eins der schönsten Museen: Tucson. In der Wüste, in der es scheinbar nichts zu sehen gab, war nur exponiert, was es in der Wüste zu sehen gibt, wenn man genau hinsieht. Also z. B. Edelsteine. Auf samtbezogenen Pappscheiben waren sie ausgelegt, und man konnte sie unter einem fest montierten Vergrößerungsglas betrachten.

    Aquariumsliebhaber legen gern einen alten Schuh ins Becken oder eine Flasche, um die dann die Fische herumschwimmen.
    Gern würde ich mal das Museum besuchen, in dem sie Unterwasserfunde zeigen.
    Auch das«Echolot»ist ein Museum.
    Ein Herr rief an, er habe Wasser im rechten Hoden, er beschrieb mir das ziemlich ausführlich. Die Sache interessiert mich, werde sie mit Dörfler besprechen.
    Hildegard neulich zum Arzt:«Mein Mann sagt, ich soll dies nicht tun und das nicht tun.»
    Dörfler:«Freuen Sie sich doch darüber!»
    Als er mich zum ersten Mal nackicht sah, war er ganz erstaunt, daß ich noch so einen schlanken Körper habe, schlank und rank. Kein Gramm Fett zuviel, allerdings auch keine Muskeln zuviel. Geht mir eigentlich ganz gut. Er zeigte Hemmungen, mich genauer anzusehen. Er ist es, der mir eines Tages die Augen zudrückt. Ob er mich auch sanft hinübergeleitet, wenn ich ihn darum bitte? Wer weiß.
     
    TV: In der Nacht sprach Günter Gaus eine dreiviertel Stunde lang mit Hermann Kant. Ich fand das ziemlich widerlich. Es gibt doch weiß Gott andere Gesprächspartner, als ausgerechnet diese Type. Ich schaltete rüber zu den«Fahrraddieben»von 1948. - Gaus sitzt bei den Fragen«Zur Person»unsichtbar im Finstern. Nur sein Gast ist zu sehen. Und die Fragen kommen mehr oder minder mephistophelisch aus dem Off. Eine Interview-Sendung so zu gestalten, läßt Rückschlüsse auf Geltungssucht des Interviewers zu. - Als er sich in Ostberlin einrichtete, soll er sein Reitpferd mitgenommen haben! - Er spricht ein gepflegtes Hamburg-St, s-tolpert also artistisch übern S-tein. So hat ein jeder seine Note.
     
    2001: Er hat kürzlich noch einmal eine dreiviertel Stunde mit Kant gesprochen. Seine Wißbegier ist unersättlich. Kant hingegen blies die Backen auf.

Nartum
Mo 10. April 1989
    Bild: Atom-U-Boot/Opferten sich 42 Russen, um uns zu retten?
    ND: Atomgetriebenes U-Boot der UdSSR nach Brand gesunken
     
    Ich kaufte in Bremen einen Langenscheidt-Wörterbuch-Computer (Englisch) für 300 Mark. Eine völlig unbrauchbare Sache. Die Tasten nach oben gerundet, so daß der Finger abgleitet, und außerdem ABC-Tastatur statt des gebräuchlichen Schreibmaschinen-Prinzips, und sehr wenig Wörter. Wütend! Das Ding taugt noch nicht einmal zum Verschenken. Daß man es von der Steuer absetzen kann, ist ja auch kein Trost.
    Dorfroman: Vor der Bibliothek lag eine Amsel, auf der Seite, den Kopf eingedreht, aus ihrem gelben Schnabel floß Blut. Am Fenster die Spur ihres Aufpralls. Ein kleiner schwarzer Ikarus. Ich ging die Allee auf und ab und meinte an den Tannen zu spüren, daß der Saft in die Zweige zurückkehrt. Die Vogelbeeren mit dicken Knospen. Den Sommer vor sich haben.
    Beim Ins-Haus-Gehen der Rücken des Vogels. Ich lasse die kleine Leiche der Natur. In der Nacht werde ich sie vergraben. Im«Spiegel»steht zu lesen:
    An den Mann, der vor 100 Jahren geboren wurde und vor 50 Jahren die Welt in den Krieg riß, an Adolf Hitler, hat einer im SPIEGEL-Haus eine besondere, persönliche Erinnerung: Heinz Beck, Jahrgang 1929, Mitarbeiter in der Gehaltsbuchhaltung. Er war einer der Hitler-Jungen, die Hitler an dessen letztem Geburtstag, 20. April 1945, im Garten der Reichskanzlei vom Reichs-Jugendführer Axmann als«Hoffnung des

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