Alkor - Tagebuch 1989
Poliklinik der Berliner Charité übergeben
Arbeit am«Echolot»: 12. Februar’45: Hitler wird«auf eigenen Wunsch zur Ader gelassen», Herta Daecke sieht zum letzten Mal Dresden. Ursula Ehlers, die Schülerin aus Ellwangen meint: Es sieht nicht rosig aus, aber es wird auch wieder Rat werden. - Eine Dame aus Hamburg schreibt, daß ihr in den«Hundstagen»die Rufe der Mutter:«Alexander!»besonders aufgefallen seien:«gerade, weil sie so merkwürdig unverbunden und unerklärt auftreten. So bekommt A. S., der ja sonst so fürchterlich durchsichtig oder besser gesagt: so gräßlich unbarmherzig durchleuchtet erscheint, doch noch eine tiefere, dunklere Dimension …»- Ah! Das tut gut. Die Erzählung breitet sich unter meinen Lesern aus wie ein sanfter Wind, er kräuselt die Kornfelder, könnte man sagen.
Ein Wellensittich-Buch.
Zwei Damen haben es geschrieben, liebevoll und genau. Das imponiert mir mehr als der Papageien-Sammler. Welche Eindringlichkeit: der Käfig für den Wellensittich, wie er sein soll, alles ganz genau. Das Buch ist 1937 erschienen, und die Erkenntnisse der beiden Damen scheinen sich immer noch nicht herumgesprochen zu haben:«Benutzen wir gekaufte Stangen, so rauhen
wir sie wenigstens an …»Ich denke an Putzi, das liebe Tier, mit dem ich viel Spaß hatte. Er flog frei im Arbeitszimmer umher. Der ständig abbröckelnde Kenntnisstand. Gibt’s ein Mittel dagegen?
Heute ein Vortrag im TV über Zecken, wie man sie den Hunden abnimmt, man soll sie heraus drehen . Nie gehört. Beim Menschen soll man einen Tropfen Öl draufträufeln, dann ersticken sie. Es gibt spezielle Zeckenzangen zu kaufen.
2000: Daß ausgerechnet Ernst Jünger Maleschen mit einer Zecke hatte, am Ende seines Lebens.
Renate war da. Als sie wegfuhr, dachte ich: Die siehst du niemals wieder. - Und merkwürdigerweise sagte Renate:«Ich denk’ immer, wenn du tot bist, wird dein Geist immer noch hier herumlaufen. »- Zu Hildegard beim Wegfahren:«Sag’ ihm man, er braucht kein schlechtes Gewissen zu haben.»
Nartum
So 23. April 1989
Welt am Sonntag: FDP-Chef: Lieber Rot-Grün als mit Republikanern /Führende Koalitionspolitiker rufen zum Kampf gegen die Schönhuber-Partei auf
Sonntag: Vielleicht machen Bücher dieser Art Epoche. Ludwig Renns«Krieg»und seine Wirkung. Von Klaus Hammer
8 Uhr. - Eine Hummel schnuppert an meinem Schreibtischfenster. Wahnsinniges Bellen des Hundes. Vor der Einfahrt steht ein Reiter, der sich mit einem Fahrradmädchen unterhält. Der sonderbare Gegensatz zwischen kontemplativem Gespräch und großer Aufregung. Es stört sie nicht, daß der Hund bellt. Radio: Heute Nachmittag kam die Sendung«Prominente und ihre Lieblingsmusik»auf der NDR-Hamburg-Welle. Die Sache hat mit meinem Geburtstag zu tun. Wann aufgenommen? -
Ganz auf Jazz abgestellt. Ich habe da allerhand zusammengefaselt. Das, was mich bewegte, konnte ich nicht sagen.
1. Django Reinhardt: Petite Lili 1940
2. Django Reinhardt: Improvisation (Gitarre solo) 1943
3. Svend Asmussen: Ring dem Bells 1941
4. Leo Matthießen: Anita Anita, you’re lovely like blue skys above me …
5. Die Andrew Sisters: Shortnin’ Bread
6. Ella Fitzgerald: Ella (New York 1938)
7. Ella Fitzgerald: Undecided
8. Nat Gonella: Just a Kid, Named Joe
9. Fats Waller: Ain’t Missbehavin’
10. Duke Ellington: Mood Indigo (1930) - Ein ziemliches Gejaule
11. Kurt Hohenberger: What Will I Tell My Heart?
12. Stan Kenton: Love Letters
13. Modern Jazz Quartett: All The Things You Are
14. Oscar Peterson: Wheatland
15. Menuhin / Grapelli: Jalousie
In der Nacht rief mich Frau Cordes aus Kiel an, sie sei durch die ganze Wohnung getanzt nach meiner Jazzmusik, wie schade, daß man so was so selten hört! - Leider war ich unhöflich zu ihr, die späte Stunde, und ich wußte gar nicht, wovon sie redet.
Nartum
Mo 24. April 1989
Bild: Berger im Feuerball / Er lebt! / Formel 1: Mit 280 gegen die Mauer
ND: Breite Volksaussprache in Städten und Gemeinden vor den Kommunalwahlen am 7. Mai
Oldenburg:«Zäune»- Fortsetzung. Sie denken: Jetzt ist alles vorüber, und dann geht es erst richtig los.
Vorher Fotos kopiert für«Echolot». 5 Mark!
Die«Rote Hilde»ist gestorben, die Freislerin. Ob sich denn niemand findet, der ihre Untaten mal herblättert? Dierks sagt, sie habe in Westberlin gewohnt und sei immer mit der S-Bahn rübergefahren. Kann ich mir nicht vorstellen. Habe einen dunklen Kranz um den Kopf gehabt. Ihre Wut auf Klassenfeinde erkläre
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